Warum Sie die Carmina Burana zitieren aber nicht singen dürfen
Neues Buch: Was jeder Planer zu deutschen Schutzrechten wissen sollte
„Gerade Menschen in kreativen Berufen müssen Grundlagen des gewerblichen Rechtschutzes und Urheberrechts kennen, sonst gehen leider viele geniale Ideen verloren“, erklärt Martin Glöckner, Fachanwalt für gewerblichen Rechtschutz. Sein neues Buch „Veranstaltungs®echt“ erscheint in der Reihe „Messe-, Kongress- und Eventmanagement“ von Professor Stefan Luppold, Duale Hochschule Baden-Württemberg, (DHBW) Ravensburg. Autor und Herausgeber wollen ein umfassendes Verständnis für Urheber-, Patent-, Marken- und vergleichbare Schutzrechte vermitteln, denn: „Es muss nicht sein, dass kreative Ideen aus Angst vor Abmahnungen nicht umgesetzt werden. Wer hier zum einen die rechtlichen Grundlagen kennt und zum anderen um die Sicherheit weiß, die das deutsche Recht gerade den Kreativen bietet, der schläft besser und kann seine Ideen verwirklichen.“
Was darf ich – was darf ich nicht?
Urheberrecht, Markenrecht, das Recht am eigenen Bild und Wettbewerbsrecht – wir verbinden mit diesen Schlagworten eine gewisse Vorstellung und eine große Unsicherheit. Sie alle regeln das Recht am geistigen Eigentum und geben den Rechteinhabern eine sehr starke Position, die es ihnen zum Beispiel erlauben, Dritten die Verwendung gänzlich zu verbieten. Das gibt es nur bei uns in Deutschland und daraus ist mittlerweile ein ganzer Geschäftszweig entstanden. Kanzleien beschäftigen Horden studentischer Aushilfen, die nichts anderes tun, als deutsche Internetseiten auf Rechtsverstöße im oben genannten Sinne zu durchforsten – und oft werden sie fündig. Es ist heute so leicht, ein Bild, ein Musikstück oder einen Film irgendwo zu kopieren und für seine Zwecke zu nutzen. Dass das nicht erlaubt ist, weiß mittlerweile (fast) jeder – aber was ist denn erlaubt?
Viel mehr als man denkt – sagt Martin Glöckner und verweist auf den Fall Guttenberg. Dem Mann hätten Quellenangaben wohl den Doktortitel gerettet. Wer hier korrekt arbeitet und zitiert, der hat schon halb gewonnen. Eselsbrücke: Es darf niemals auch nur der Eindruck entstehen, man nutze das geistige Eigentum anderer (in Wort, Bild, Ton), um es als Eigenleistung auszugeben.
Aber woher weiß ich, wer die Rechte hat und ob ich das Bild, das Musikstück oder den Film nutzen darf? Nicht immer einfach – ein aktuelles Beispiel: Eine Bildagentur (nennen wir sie Agentur A) hat den Betreiber einer Internetseite (ein deutsches Unternehmen) abgemahnt und auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt. Dort fiel man aus allen Wolken, hatte man doch eine Werbeagentur beauftragt, das Bild zu erwerben. Auch die Agentur ist erstaunt. Sie hatte das Bild rechtmäßig bei einer Bildagentur erworben – allerdings bei einer anderen (nennen wir sie Agentur B). Nun streiten A und B um die Rechte und weder Unternehmen noch Werbeagentur sind schadensersatzpflichtig. Allerdings muss das Bild von der Internetseite verschwinden bis die Rechte geklärt sind, denn nach deutschem Recht ist der Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig.
Tipp: Als Agentur sollten Sie im Vertrag klären, falls der Auftragnehmer für die Klärung der Bilderrechte verantwortlich sein soll. Ansonsten sind Sie automatisch rechtlich mitverantwortlich.
Unterlassungsanspruch und Schadensersatz – zwei Paar Schuhe
Wer sich am geistigen Eigentum anderer vergreift, macht sich schuldig. Allerdings kennt das deutsche Recht zwei Ansprüche, die sich unterscheiden. Zum einen den Unterlassungsanspruch des Rechteinhabers (Nimm dieses Bild sofort von deiner Internetseite, es ist meins!). Dieses Recht ist verschuldensunabhängig (d.h.: Egal ob ich weiß, dass ich gegen Marken-/Patent-/Bildrechte verstoße: Wenn die Rechte nachgewiesen werden können, kann ich zur Unterlassung verpflichtet werden). Das heißt allerdings nicht, dass der Rechteinhaber (oder die Kanzlei, die in seinem Auftrag handelt) sofort die Hand aufhalten darf, denn der Schadensersatzanspruch ist nicht verschuldensunabhängig. Hier muss nachgewiesen werden, dass ich wissentlich oder fahrlässig gegen gewerbliche Rechte verstoßen habe. (Allerdings wird schon ein bisschen Mühe vorausgesetzt und so wird z.B. beim Markenrecht, das relativ einfach recherchierbar ist, zumindest Fahrlässigkeit sehr schnell vermutet.)
Tipp: Wenn es gestalterisch möglich ist, die Quelle im Bild selbst angeben, nicht im Impressum oder darunter/daneben. So wird „ gemeinen Bildräubern“ das Leben schwerer gemacht!
Gemeinsam sind wir stark
„Es ist wichtig, dass wir wissen, wie wir den Spieß umdrehen können“, sagt Rechtsanwalt Glöckner und betont, dass die starken Schutzrechte des geistigen Eigentums ja gerade „uns“ Kreativen helfen sollen, von unserer Kunst auch leben zu können. Anders als zum Beispiel in den U.S.A. ist in Deutschland das Urheberrecht nicht übertragbar und verpflichtet den Auftraggeber zu einer angemessenen Vergütung. Die in Designerkreisen oft kolportierte Geschichte um das Nike-Logo (z. B. hier) hätte der Erfinderin bei uns also nicht passieren können.
Andere Länder, andere Sitten. Die zur australischen Fosters-Gruppe gehörende Marke Carlton Draught nutzt für eine (übrigens großartige) Werbung die Musik von Carl Orffs Carmina Burana mit eigenem Text. Bei uns nicht möglich, denn Testament und Urheberrecht schützen das Werk von Carl Orff. Der Fall „Carmina Burana“ ist zum einen deshalb so interessant, weil Orff nur die Musik komponiert hat, die Texte aber selbst aus einem bestehenden Werk übernahm. (Die mittelalterliche Lyrik aus dem 11.-12. Jahrhundert ist „gemeinfrei“). Außerdem, was nicht viele wissen, ist Orff erst 1982 verstorben. Schutzrechte am geistigen Eigentum erlöschen bei uns nach 70 Jahren. Daher muss, wer die Carmina Burana in Deutschland aufführen will oder nur Fragmente nutzen möchte, diese Nutzung mit dem Verwalter der Rechte, dem Mainzer Verlag Schott Musik International, klären. Den Text darf man nutzen – daher: „O Fortuna velut Luna!“
Nicht „Kann“ sondern „Muss“
Der Herausgeber Stefan Luppold hat Martin Glöckner schon länger als Dozenten an der DHBW im Studiengang „Messe-, Kongress- und Eventmanagement“ verpflichtet und hält das Buch Veranstaltungs®echt für sehr empfehlenswert: „Rechtliche Rahmenbedingungen sind für uns essenziell - kein „Kann“, sondern ein „Muss“. Dabei geht es um viel mehr als nur Versammlungsstättenverordnung und Vertragsrecht; insbesondere das Urheberrecht, das als Schutz von geistigem Eigentum wirkt, ist rechtlicher Rahmen zum Bespiel bei Veranstaltungskonzeption und Bühnenbau. Was alles eine Rolle spielt und worüber man sich vor einer Veranstaltung Gedanken machen sollte, das hat Rechtsanwalt Martin Glöckner zusammengestellt.“
Auch wir sagen: Lesen und besser schlafen.
Buchdetails auf einen Blick:
Titel: Veranstaltungs®echt: Praxisfragen des gewerblichen Rechtsschutzes bei Messen und anderen Veranstaltungen
von Martin Glöckner (Autor), Stefan Luppold (Herausgeber)
Broschiert: 144 Seiten
Verlag: Wissenschaft & Praxis (Juli 2015)
ISBN: 978-3-89673-703-8
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