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Hotels & Locations, EventTech, Mobilität

To share or not to share?

Über das Aufblühen der Sharing Economy

So wie die gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft Hauptthema beim MICE Club LIVE vom 18.−20. Juni 2017 in München sein wird, widmen wir uns den spannendsten Zukunftsthemen dieser Tage bereits jetzt in regelmäßigen Abständen. Hier dreht sich alles um die Sharing Economy und damit um das keineswegs neue Prinzip des Teilens.

Jeder kennt es aus dem Privatleben: Warum ein teures Produkt erwerben, das man nur selten benötigt? Wie selbstverständlich leiht man sich daher die Bohrmaschine vom Nachbarn oder den Anhänger vom Schwager − mit dem positiven Nebeneffekt, dass auf diese Weise nicht nur der Geldbeutel geschont wird, sondern auch die Umwelt. Denn was reihum die Runde macht, muss ja im Prinzip nicht doppelt und dreifach produziert werden.

Im weitesten Sinne lassen sich alle Güter und Dienstleistungen unter dem Begriff Sharing Economy subsumieren, die immer nur für eine begrenzte Zeit genutzt werden und darüber hinaus allen Interessenten zur Verfügung stehen − egal ob gegen ein Nutzungsentgelt oder nicht. Auch klassische Tauschgeschäfte nach dem Motto „Eine Hand wäscht die andere“ sind selbstverständlich denkbar und werden über diverse Onlineplattformen auch praktiziert.

Nun sind die Grenzen zwischen der Ökonomie des Teilens und dem Verleih- bzw. Vermietungsgeschäft natürlich fließend. Im besonderen Maße zeichnet sich die Sharing Economy dadurch aus, dass sich auch private und nicht kommerzielle Anbieter an ihr beteiligen, dass sie möglichst frei von festgelegten Regularien ist und alle Angebote ohne Einschränkung vorzugsweise via App bzw. Internet vermittelt werden. Dies führt nicht nur zu einer effizienteren Ressourcennutzung, sondern auch zu mitunter erheblich verminderten Kosten für den Nutzer.

Teilen verbindet

Kaum ein Wirtschaftszweig scheint so prädestiniert für Sharing-Economy-Modelle zu sein wie die MICE- und Eventbranche. Das liegt in der Natur der Sache, weil hier ohnehin fast alle Infrastrukturen und Services nur temporär von den unterschiedlichsten Nutzern in Anspruch genommen werden: Destinationen und Locations, Tagungsräume und Veranstaltungssäle, Medientechnik und Shuttlebusse, Cateringdienste und Servicepersonal, Hotelzimmer und Mietwagen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, ob und wie die aufstrebende Sharing Economy mehr Einfluss in der Veranstaltungsbranche gewinnt. Überflügelt beispielsweise das Carsharing mit seinem unkomplizierten Nutzungskonzept die klassischen Autovermietungen? Nehmen Buchungsportale wie Airbnb den großen Hotelketten Marktanteile weg? Darüber, wie nicht nur Unterkünfte, sondern auch in Privathand befindliche Locations bequem über ein Onlineportal gebucht werden können, haben wir bereits berichtet.

Ein gutes Beispiel für die Sharing Economy in der Businesswelt ist die klassische Bürogemeinschaft, in der Arbeitsplätze statt Räumlichkeiten für einen bestimmten Zeitraum angemietet werden. Irgendwem gehört die Immobilie natürlich, aber der Eigentümer mag sich weitgehend aus der eigentlichen Nutzung heraushalten, solange ein monatlicher Betrag X auf seinem Konto eingeht.

Ganz ähnlich verhält es sich mit allen anderen Sharing Economy-Modellen, die jedoch erst durch die Digitalisierung und die unkomplizierte Buchung via App auch den Massenmarkt erreicht haben. In der Folge können auch die großen Konzerne nicht mehr zurückstecken und haben vor allem den Bereich Mobilität besetzt. So bieten BMW und Sixt mit DriveNow genauso ihr eigenes Carsharing-Angebot an wie die Deutsche Bahn mit Flinkster oder Mercedes-Benz mit car2go.

Die Anbieter schließen damit am Ende eine Marktlücke, die irgendwo zwischen Taxi und Mietwagen anzusiedeln ist. Komfort und Flexibilität bei gleichzeitig niedrigen Kosten lautet das Credo. Der Gefahr, bei nachhaltigem Erfolg künftig weniger Fahrzeuge zu verkaufen, ist man sich bei den Autoherstellern natürlich bewusst. Trotzdem will und kann man es sich nicht leisten diesen „Innovationszug“ zu verpassen, zumal die Zukunft der Automobilität ohnehin gewaltig auf dem Prüfstand steht.

Wie man sich bettet, so liegt man

Das bekannteste Beispiel für ein erfolgreiches Sharing Economy-Konzept bleibt aber wohl Airbnb. Kaum jemand, dem das Prinzip der Vermittlung privater Unterkünfte über eine Onlineplattform nicht geläufig ist. Schließlich ist Airbnb darüber zum milliardenschweren Konzern aufgestiegen und dringt demzufolge in neue Geschäftsfelder vor, die auch das Businessumfeld und damit die Eventbranche direkt betreffen.

Die Meinungen gehen auseinander, ob auf diese Weise der kommerziellen Beherbergungswirtschaft tatsächlich der Rang abgelaufen werden kann. Es gibt aber fraglos Nischen, in denen sich die bevorzugte Buchung von Privatunterkünften bereits erfolgreich platziert hat. Das betrifft vor allem die Individualisten der Branche: den alleinreisenden Messegast, Einzelunternehmer, Freiberufler oder Workshop-Teilnehmer. Auch wer einen längeren Aufenthalt plant oder in einer ländlichen Region möglichst nah am Veranstaltungsort übernachten will, zieht eine geräumige Privatwohnung womöglich dem kleinen Hotelzimmer vor.

Wer hingegen eine hohe Verantwortung für seine Gäste trägt und ihnen diese auch vertraglich zusichert, wird sich ohne ausdrücklichen Wunsch von Kundenseite kaum für alternative Übernachtungsformen entscheiden. Denn welche Privatwohnung verfügt schon über professionelle Vorkehrungen zum Brandschutz oder angemessene Fluchtwege für den Notfall? Ganz zu schweigen davon, dass niemand genau weiß, wer eventuell noch einen Schlüssel für die angemietete Unterkunft oder Location besitzt.

Es steht jedoch zu erwarten, dass mit zunehmender Kommerzialisierung Lösungen gefunden werden, die das Sicherheitsbedürfnis der Nutzer von der Buchung bis zum Aufenthalt erfüllen. Denn auch Privatvermieter lassen sich natürlich „zertifizieren“ und bei besserer Entlohnung in höhere Qualitätskategorien einstufen. Ob zwei oder fünf Sterne entscheiden dann eben Vor-Ort-Gutachter, die sich Unternehmen wie Airbnb, Wimdu und Co. definitiv leisten werden können.

Nutzen statt besitzen

Zweifellos ist die Sharing Economy ein breit aufgestellter und wachsender Wirtschaftszweig, der praktisch alle Branchen bedient, die in irgendeiner Weise mit dem Vermitteln, Verleihen und Vermieten von Gütern oder Dienstleistungen zu tun haben. Neu ist das alles keineswegs, aber das Internet hat es möglich gemacht, dass über entsprechende Plattformen praktisch jeder zum „Unternehmer“ werden kann.

Hierdurch ergeben sich völlig neue Möglichkeiten für Anbieter und Nutzer. Denn Eigentum wie Wohn- oder Arbeitsraum ist teuer und nur für wenige erschwinglich. Das Teilen wird damit gesamtgesellschaftlich gesehen nicht nur zur Einkommensquelle, sondern auch zur kostengünstigen Alternative für diejenigen, deren Budget arg begrenzt ist. Für viele „Einzelkämpfer“ der MICE- und Eventbranche scheint der künftige Weg damit fast schon vorgezeichnet. Denn ohne die Möglichkeiten der Sharing Economy steht so manches Geschäftsmodell auf wackligen Füßen. Mit ihr hingegen können viele gemeinsam wachsen.

„Ich will ein Loch in der Wand, nicht die Bohrmaschine“, lautet ein beliebtes Zitat. „Nutzen statt besitzen“ ist noch geläufiger, um das Prinzip der Sharing Economy zu erklären. So lautet auch der Titel einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung, die kostenlos im Internet verfügbar ist.

Da wir uns hier mit Zukunftstrends befassen, darf es zum Ende hin auch noch etwas theoretischer werden. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und der damit verbundenen Umwälzungen wird die Sharing Economy aller Voraussicht nach weiter an Bedeutung gewinnen und auch im B2B-Bereich verstärkt Einzug halten. Schließlich ist die Ökonomie des Teilens gleichbedeutend mit nachhaltiger Ressourcenschonung, größtmöglicher Flexibilität und einer sehr geringen Kapitalbindung – was wiederum ökologisch wie ökonomisch Sinn macht.

Noch fehlt es auf der Businessseite vor allem an rechtlichen, vertraglichen und finanziellen Sicherheiten. Wie das wiederum in der Praxis funktionieren kann, beweisen vor allem die Carsharing-Angebote der Autohersteller, die andererseits natürlich eine Art Zwitterposition innerhalb der Sharing Economy einnehmen. Dennoch ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis andere Branchengrößen nachziehen und die Verfügbarkeit von Produkten jedweder Couleur wichtiger wird als deren Erwerb.


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Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 27.04.2017


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