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Pitches: Chemie, nicht Mathematik

Pitches: Möge der Beste und Fairste gewinnen.

Urs Seiler schreibt für den MICE Club:

Albert Einstein hat gesagt, man könne ein Problem nicht mit der gleichen Denkweise lösen, die es verursacht hat. Die Spielregeln in Auftragswettbewerben benötigen eine neue Dynamik.

Die alte Dynamik war: Ein Pitch wird dazu benutzt, um auf möglichst billigem Weg zu Kreativleistungen zu kommen. Dieser Weg ist so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil davon richtig wäre.

Die Taktik besagt: Wir sind ein Unternehmen ohne überzeugende kreative Mission und suchen einen ebensolchen Trottel, der ebensowenig auf sich hält und bereit ist, eine Geschäftsbeziehung schon von Beginn weg als intellektuelle Kapitulation einzugehen.

Eine neue Dynamik kann den Teufelskreis eines herkömmlichen, gegenseitigen Pitchverhaltens durchbrechen, indem es das antiquierte Pitchverhalten selber thematisiert, nicht nur den Inhalt des Pitches. Fragen wir den Pitchgeber (hypothetisch), welchen Fairnessgrad er selber seinen Pitchbedingungen geben und ob er sie selber akzeptieren würde. Das Verfahren kommt aus der modernen Verhaltenspsychologie und nennt sich „zirkuläres Denken“: Wir betrachten einen Sachverhalt gewissermaßen von außen, nehmen uns aus der Diaden-Beziehung heraus und betrachten ihn aus einer neuen, herumgehenden (=zirkulären) Vogelperspektive. Die Antwort auf diese rhetorische Frage lautet aus naheliegenden Gründen: Nein. Und auf eine Teilnahme an diesem Pitch. Der Ausschreiber von solchen und ähnlich antiquierten Pitches ist bekannt unter dem Titel des „Bully Client“, in freier Übersetzung, des Terroristenkunden.

Außer Ihr Kunde war einfach etwas unbedarft. Dann haben Sie mit Ihrem Thematisieren der Pitchregeln vielleicht die Möglichkeit, aus dieser Krise eine Chance zu generieren und mit dem Kunden in einen erfolgversprechenden, offenen Dialog einzutreten. Der Schriftsteller Peter Handke hat das Bonmot geprägt „Du hast keine Chance, also nutze sie.“ Sie sind jetzt auf gutem Weg dazu.

Meeting of the mind: An Pitches teilnehmen oder nicht?

Der große Unternehmer Marc McCormack hat gesagt, in Verhandlungen ginge es stets darum, die Barrieren des Gegenübers zu senken und seine eigenen stets hoch zu halten. Ein Pitch (ein Wettbewerb um einen Auftrag, ein Date, ein Geschäftsessen, die Diskussion mit Ihren Kindern um den Besuch des Kinos, ein Fußballspiel) ist immer ein sportlicher Wettbewerb. Möge der Beste und Fairste gewinnen. Zu einem Sieger gehört aber auch die Erfahrung des Verlierenkönnens. Wir müssen anerkennen können, wann wir geschlagen sind respektive wann eine Pitchteilnahme reine Verzweiflung und damit Geldverschwendung ist. Wenn sich von vier Pitches durchschnittlich vielleicht einer gewinnen lässt, dann sollten wir vielleicht auch nur an einem von vier Pitches teilnehmen und die anderen ablehnen, weil die minimalen Erfolgsaussichten den Aufwand nicht rechtfertigen. Der griechische Philosoph Epiktet hat gesagt: Übernimmst Du eine Aufgabe, die deine Kräfte übersteigt, wirst du nicht nur diese Aufgabe nicht erfüllen können. Du wirst auch sämtliche anderen Aufgaben, die dir zur Erfüllung möglich gewesen wären, nicht erfüllen.

Theater, nicht Information: Wie man Pitches gewinnt

Einer der größten Fehlschlüsse liegt in der Annahme, Pitches drehten sich um Fakten. Das Gegenteil ist der Fall. In Pitches geht es um Emotionen, große Ideen und um Vertrauen.

Stephen Bayley und Roger Mavity, zwei der erfolgreichsten Unternehmer Englands, sagen in „Life’s a Pitch. How to be Businesslike with your Emotional Life and Emotional with your Business Life“, es hätte sie oft überrascht, wie schnell Pitchteilnehmer besessen seien von Details anstatt vom Entwickeln einer großen Story. Demgegenüber haben sie die Erfahrung gemacht, dass die meisten Kunden nicht der Agentur mit der besten Ideenfindung vertrauten, wenn sie mangelhaft präsentiert wird, sondern lieber einer noch nicht perfekten Lösung, die von einem inspirierenden Menschen präsentiert wird. Die Autoren sagen: Pitches gewinnt man nicht in der Bücherei des Verstandes, sondern im Theater des Herzens. Das Gleiche gilt für die kreative Ideenfindung in einem Pitch. Sie ist nicht eine Ansammlung von Fakten, sondern eine brutal reduzierte Botschaft. Bayley/Mavity nennen sie die „cornerstone message“. Sie ist normalerweise die Reduktion einer großen Idee auf einen einzigen Satz oder Slogan.

Fazit

Die Teilnahme an Auftragswettbewerben sind Pitchsituationen, die wir nicht mit Daten und Fakten gewinnen, sondern indem wir dem herkömmlichen Kundenmonolog (wir wollen, sie müssen…) eine neue, dialogorientierte, emotionale, „chemische“ Reaktion verleihen.

Also: Ignorieren Sie in Ihrem Pitch ein Zahlenwerk an Daten und Fakten. Überzeugen Sie Ihren Pitchgeber oder Spender, dass Sie mit ihm die Welt zu einem ein klein wenig besseren Ort machen wollen. Los geht’s.

P.S. Im Juni 2014 laufen die Smartville-Workshops „Pitches – Chemie, nicht Mathematik“. Nehmen Sie teil. Rufen Sie mich an: Tel. +41 44 240 41 50.


Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

Gastautor: Urs Seiler ist Chefredakteur der Fachzeitschrift EXPODATA Live-Kommunikation und Managing Partner von Smartville, Agentur für PR und Markenkommunikation. Als Referent spricht er zu den Themen Messe, Event, Erlebniswirtschaft, Public Relations und Kommunikation.


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Autor: Urs Seiler

Veröffentlicht am: 14.04.2014


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