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Hotels & Locations, Themensammlung - Recht & Compliance

Per Gesetz verordnet: Servicewüste Deutschland

Wie Mindestlohn und Arbeitszeitgesetz der Branche zu schaffen machen

Immer wieder ist er Stein des Anstoßes: der gesetzliche Mindestlohn! Endlich beschlossen und zum 1. Januar 2015 flächendeckend in Deutschland eingeführt, bringt er regelmäßig Unruhe in die deutsche Wirtschaftslandschaft. Das gilt insbesondere für die MICE-Branche mit ihren zahlreichen Helfern und Helfershelfern in den Bereichen Catering, Gastronomie, Hotellerie, Promotion, Besucherservice und Gästebetreuung. Hier sind größtmögliche Flexibilität und knallharte Preisgestaltung besonders bei kleinen und mittleren Betrieben geradezu überlebenswichtig – und nicht selten von Kundenseite diktiert.

Kein Wunder, dass sich im Hotel- und Gaststättengewerbe aktuell zunehmend Widerstand gegen die Berliner Regelungen regt. Doch nicht etwa gegen den Mindestlohn an sich, den man gerne zu zahlen bereit ist, sondern gegen die damit verbundene Dokumentationspflicht und den so entstehenden administrativen Mehraufwand. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA) stellt sich auf die Seite seiner Mitglieder, was Verbandspräsident Ernst Fischer unmissverständlich deutlich macht: „Unsere Wirte gehören zu ihren Gästen und nicht hinter den Schreibtisch. Geboten sind jetzt zeitnah Korrekturen durch die Bundesregierung, um die unnötige Gängelung unserer kleinen und mittelständischen Betriebe schnellstmöglich zu beenden.“

DEHOGA-Verbandspräsident Ernst Fischer

Dokumentationspflicht wider der Realität

Dass es nicht wenige schwarze Schafe unter den Unternehmen geben würde, die sich über die geltende Mindestlohnregelung hinwegzusetzen versuchten, wurde dem Gesetzgeber schnell klar. So hat man für alle Betriebe eine umfassende Dokumentationspflicht eingeführt, mit der die Einhaltung der Zahlung des Mindestlohns kontrolliert werden soll. Hierfür muss bis zu einer Verdienstgrenze von 2.958 Euro im Monat jedes Beschäftigungsverhältnis detailliert dokumentiert werden. Jedoch entspricht diese Obergrenze bei 8,50 Euro Stundenlohn einer Wochenarbeitszeit von ca. 87 Stunden. Da darf man sich auch als Laie gerne einmal die Frage stellen, inwieweit diese Regelung Sinn macht.

Ernst Fischer kommentiert dies wie folgt: „Das hat nichts mit der Realität in unseren Betrieben zu tun. Nein, hier stellt der Gesetzgeber unsere gesamte Branche unter Pauschalverdacht.“ Im Übrigen ergebe sich die geleistete Arbeitszeit aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der Lohnabrechnung. Im Fokus der Kritik steht genauso das Arbeitszeitgesetz, das eine tägliche Arbeitszeit von maximal acht Stunden, im Ausnahmefall von bis zu zehn Stunden vorsieht. „Wenn die Hochzeit in der Nacht länger dauert als geplant oder eine Reisegruppe staubedingt später anreist, muss in konkreten Fällen länger als zehn Stunden gearbeitet werden dürfen“, so Fischer. „Drakonische Bußgelder bei Verstößen gegen die Höchstarbeitszeit jedenfalls kriminalisieren ordentliche Unternehmer, die lediglich Gästewünsche erfüllen wollen.“

Über die an den Mindestlohn gekoppelte Arbeitszeitproblematik in der MICE-Branche haben wir im MICE Club-Magazin bereits berichtet. Ein neuer Bußgeldkatalog sieht Strafen bis zu 15.000 Euro, im Zweifel auch eine Gefängnisstrafe vor, wenn Arbeitgeber gesetzliche Arbeitszeiten immer wieder überschreiten. Vor diesem Hintergrund scheint die Verärgerung der Hoteliers und Caterer durchaus verständlich. Denn wenn nicht in der MICE-Branche, wo sind sonst flexible Arbeitszeitmodelle gefragt und an der Tagesordnung? Was soll etwa ein Cateringbetrieb tun, wenn die Feier doch mal länger dauert und bei „Dienstschluss“ trotzdem noch Nachschub geordert wird? Einfach Feierabend machen oder auf die Schnelle einen Subunternehmer beauftragen?

Die teils absonderlichen Vorstellungen der obersten Politetagen schrammen gewaltig am realen Alltag in der MICE-Branche vorbei. Kaum jemand dürfte schließlich einen längeren Arbeitstag haben als ein selbstständiger Kleinunternehmer, der seine Gäste rund um die Uhr bestmöglich zu betreuen, bewirten, versorgen und unterzubringen versucht. Die generelle Berichterstattungspflicht „brummt“ nun vielen Inhabern und Geschäftsführern zusätzliche Schreibtischzeit auf, die sich nur schwerlich vom üblichen Tagespensum abziehen lässt. Einfacher haben es da schon die Großen der Branche, etwa Hotel- und Restaurantketten mit eigener Lohnbuchhaltungsabteilung. Hier ergeben sich natürlich weitaus bessere Möglichkeiten, den administrativen Zusatzaufwand zu delegieren und zu bewerkstelligen.

Hoteliers gehen auf die Straße

In Bayern und Baden-Württemberg sind die Wellen der Empörung in erste Kundgebungen gemündet. Am 21. April gingen rund 5.000 Unternehmer des Hotel- und Gaststättengewerbes in München auf die Straße, um gegen die bürokratischen Auswüchse des Mindestlohngesetzes zu demonstrieren. Anlässlich des Stuttgarter Frühlingsfests auf den Cannstatter Wasen fanden sich am 24. April rund 4.000 Bürokratiegegner im Hauptfestzelt ein. Fast alle 47 DEHOGA-Kreisstellen waren vertreten und haben 60 Busse nach Bad-Cannstatt rollen lassen.

Kundgebung Stuttgart

Im Mittelpunkt der Kritik standen die vier führenden Landespolitiker von SPD, CDU, Grünen und FDP, derentwegen man die Protestreise angetreten hat. Vor allem Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmidt von der SPD bekam den Unmut der Branche zu spüren. „Beim Essen schmeckt das nicht sofort so gut, wie erhofft“, versuchte er die aufgebrachte Menge schließlich zu beschwichtigen. So könne er sich die bereits beschlossenen Ausnahmeregelungen für Saisonbetriebe wie die Schaustellerei auch für die Gastronomie vorstellen.

Fazit: Bis es soweit ist, dürften noch viele Monate und zahlreiche weitere Protestkundgebungen ins Land ziehen. Denn nirgends mahlen die Mühlen der Bürokratie bekanntlich so langsam wie in den Berliner Behörden. Die spannende Frage bleibt, ob man nicht gerade den kleinen und buchhalterisch wenig geschulten Arbeitgebern zu viel zumutet im Umgang mit gesetzlichen Neuregelungen wie dem Mindestlohn. Die Politik muss sich zurecht die Frage gefallen lassen, ob ein Gastwirt mit vier Beschäftigen genauso „behandelt“ werden soll wie ein Hotelkonzern mit mehreren tausend Angestellten.


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Bilderquellen: Alois Müller, Cordula Giese, dpa

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 01.05.2015


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