Nachhaltige Events - alles green?
Wo steht die Branche nach der 3. greenmeetings und events Konferenz?
Ein Konferenzformat für ein vermeintliches Spartenthema der Eventbranche nun bereits ein drittes Mal auf die Beine zu stellen, ist wahrlich beachtlich. Vor vier Jahren erblickte die greenmeetings und events Konferenz das Licht der Eventwelt: Anfangs belächelt - mit Akzeptanzproblemen auf Veranstalterseite gestraft - hat der Themenkomplex nachhaltiger Events den Sprung ins "Relevant Set" der Branchenakteure bravourös gemeistert.
Ausschreibung zur 4. Ausgabe in 2017 läuft
So wird es in 2017 eine vierte Ausgabe des Konferenzformates mit dem unglücklichen Namen geben, hatte man sich seitens des GCB (German Convention Bureau) und des EVVC (Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren e.V.) bei Gründung der Idee doch gar zu einseitig auf den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit beschränkt.
Auch wenn man beim GCB nachdrücklich beteuert, dass "green" ja symbolisch für die Dreifaltigkeit der Nachhaltigkeit steht, konzentriert sich das Themenspektrum der Konferenz auch in der dritten Ausgabe nahezu ausnahmslos auf ökologische Belange. Das ist schade - wenn nicht gar bedenklich - rücken dieser Tage die soziale und ökonomische Säule des Nachhaltigkeitsmodells verstärkt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung.
EU-Berichtspflicht für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ab 2017
Denn im April 2014 verabschiedete die Europäische Union für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern eine Berichtspflicht, in Zukunft verbindlich über ökologische, soziale und Themen ihrer Unternehmensführung berichten zu müssen. So rückt das übergreifende Thema "Corporate Responsibility" als Dachkonstrukt für die drei Säulen ins Rampenlicht der Aufmerksamkeit. Betrachtet man die unternehmerischen Werte als ein in sich geschlossenes wechselseitig bedingendes System, besteht die herausfordernde Aufgabenstellung für Unternehmen insbesondere darin, eine gesunde - ja nachhaltige - Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem zu erzielen.
Dabei ist die unter dem griffigen Kürzel CSR zusammengefasste soziale Verantwortung von Unternehmen bereits seit mehreren Jahren im Bewusstsein der Unternehmenslenker angekommen - nicht zuletzt, und leider häufig nur um das eigene Gewissen und das der Stakeholder und Kunden zu befriedigen. In jüngster Zeit - vor allem ausgelöst durch den seit Jahresbeginn geltenden Mindestlohn (wir berichteten) - rückt gerade unsere MICE- und Eventbranche in diesem Zusammenhang in ein fahles Licht: Das Scharmützel zwischen Daimler und Sarah Wiener ging eben nicht durch die Fachpresse, die dieses für unsere Branche sensible Thema lieber totschweigt, sondern durch die Kanäle der großen Nachrichtenagenturen.
Zurück zur Konferenz: Gemeinsam mit der austragenden Location - Kap Europa - gelang den Veranstaltern eine durchweg professionelle Umsetzung der zweitägigen Veranstaltung. Das Programm für die rund 400 Teilnehmer wechselte sich zwischen Keynotes im Plenum und teils interaktiv gestalteten Workshop-Sessions in kleineren Runden ab. Die großzügig dazwischen platzierten Networking-Pausen gaben den Teilnehmern ausreichend Gelegenheiten zum fachlichen Austausch.
Zielgruppenspagat vs. inhaltlicher Tiefe
Die Veranstalter hatten das Konferenzprogramm nach Zielgruppeninteressen gegliedert, um den Teilnehmern eine zielgerichtetere Teilnahme aus Sicht der "Locations", der "Destinationen" sowie der "Agenturen und Dienstleister" zu ermöglichen. Diese Einteilung ist an sich eine gute Idee, liegen die Erfahrungshintergründe der verschiedenen Teilnehmergruppen teils gravierend auseinander. Dennoch begann leider nahezu jeder Vortrag und jede Session mit einer Begriffsdefinition zur Nachhaltigkeit. Bei der dritten Konferenzausgabe hätte ich mir gewünscht, dass dieses Basiswissen von den Teilnehmern vorausgesetzt wird. Wie wäre es etwa, wenn für die nächste Konferenz eine kleine Nachhaltigkeitsfibel bereitgestellt wird, die jeder Teilnehmer zur Vorbereitung studieren muss, um nicht jedes Mal erneut beim kleinsten gemeinsamen Nenner beginnen zu müssen?
In den größtenteils interaktiv gestalteten Workshop-Sessions wurde schnell offenkundig, dass gerade auf der Anbieterseite der Locations und Destinationen das Thema Nachhaltigkeit noch in den Kinderschuhen steckt. Die etwa über die Metaplanmethodik angeleiteten Brainstormings der Session "USP Nachhaltigkeit? Differenzierung im Meeting-Markt von morgen" führten deutlich vor Augen, dass aktionistische Einzelmaßnahmen einem durchdachten systemischen Ansatz der komplexen Materie vorgezogen werden. Hier halte ich - sicher schwierig zu identifizierende - Best Practice-Beispiele von Vorzeigeprojekten für einen guten Weg, um den Nachhaltigkeitsanfängern umfassende Strategien zu veranschaulichen.
Der Wertekanon als falsch verstandene Einbahnstraße
Dass Nachhaltigkeit einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen sollte, statt Einbahnstraßenkommunikation zu betreiben, wurde in dem Panel - "Was Kunden wollen" – das wünschen sich Kunden von ihren Dienstleistern - überdeutlich. Hier stellten die beiden Unternehmensvertreter Claudia van't Hullenaar von Symantec sowie Paolo-Daniele Murgia von Roche Diagnostics ihre Erwartungshaltung an Agenturen und Dienstleister vor, welche Zertifikate, Nachhaltigkeitsstrategien und überwiegend ökologische Standards und Leistungsparameter von Anbieterseite erwartet werden. Die Forderungsliste war lang und umfangreich: Dass Nachhaltigkeit nicht nur ein "Nehmen" sondern auch ein "Geben" bedeutet, was etwa faires Verhalten der Unternehmen gegenüber Lieferanten angeht, wurde in den Nachhaltigkeitsansätzen beider Unternehmen dagegen vollends ausgeblendet. Denn wer A sagt, sollte auch B sagen: Auf Nachfrage des MICE Clubs, ob eine Nachhaltigkeitsstrategie nicht auch zum Beispiel ein wertschätzendes Einkaufsverhalten gegenüber Lieferanten - etwa im Zuge einer angemessenen Vergütung von Ausschreibungen und Pitches - beinhalten sollte, flüchteten sich die beiden Podiumsteilnehmer in nicht belastbare Phrasen und Lippenbekenntnisse - auch das eine spannende Erkenntnis aus der Konferenz.
Meeting Experts Green Award
Ach ja, dann gab es ja auch noch eine Awardverleihung für die Vorzeigeprojekte im Bereich Nachhaltigkeit in insgesamt fünf Kategorien. Dass Awardverleihungen per se ein schwieriges Unterfangen sind, was Kurzweiligkeit und Dramaturgie angeht, ist den ausführenden FAMAB-Agenturen beim FAMAB-Award hinlänglich bekannt. Den Veranstaltern des Meeting Experts Green Awards ist das im Großen und Ganzen gut gelungen. Das anschließende "After-Show"-Get Together war allerdings sehr nüchtern und wenig einladend. Hier besteht also noch Luft nach oben. Hier geht's zu den Gewinnern des Meeting Experts Green Award!
Fazit: Mut zur inhaltlichen Vertiefung
Zusammenfassend vermisste ich die inhaltliche Tiefe der einzelnen Diskussionen und Sessions. Das lag zum Einen an den sehr unterschiedlichen beruflichen Hintergründen der Teilnehmer, zum Anderen sicher auch an den wenig ergebnisorientierten Methoden der Workshops. Für 2017 schlage ich daher vor, die Konferenzinhalte nach Erfahrungshintergründen einzuteilen: Anfänger, Fortgeschrittene und Profis. Dabei sollte auch erwogen werden, für vertiefende Inhalte mehr als 90 Minuten einzuplanen. Was spricht etwa dagegen, das Basiswissen in kürzeren Sessions zu vermitteln, während die Profis einen halben oder gar ganzen Tag gemeinsam die Köpfe zusammenstecken?
Ein weiteres Manko war aus meiner Sicht das Ausblenden der Veranstalterseite. Die Konferenz richtete sich mit den Inhalten ganz klar an die Anbieterseite der Kongresszentren, Eventlocations, Hotels und Destinationen. So musste man auf der Teilnehmerliste die Agenturen und Endkunden von Corporate-Seite wie die Stecknadel im Heuhaufen suchen. Das lag sicher auch an den angebotenen Themen: Wo waren die Best Practices von nachhaltigen Veranstaltungskonzepten der Agenturen und Unternehmen?
Zu guter Letzt ein Wort zum "Star" der Konferenz: Veranstalter wollen den Teilnehmern etwas bieten. So gehört der Stargast fast zum festen Repertoire der Konferenzorganisation. Mit Hannes Jaenicke hatte man einen prominenten Umweltaktivisten verpflichtet, der zwar tolle Einspielerfilmchen und Weckrufe zum Besten gab, aber leider jeglichen Bezug zur MICE- und Eventbranche vermissen ließ. Braucht eine nachhaltige Veranstaltung ein prominentes Zugpferd?
Fotos: GCB - German Convention Bureau
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