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Agenturen

Mad Men in der MICE-Branche

Work-Life-Balance: Agenturen kämpfen mit Mitarbeiterfluktuation

„Irgendetwas mit Werbung...“ – Hauptsache Agentur. Die Strahlkraft der kreativen und weniger kreativen ‚Kommunikationsklitschen’ war zeitweise derart grell, dass ganze Generationen – insbesondere trifft dies auf die Generation X zu – geblendet von modernen Arbeitssettings nur noch ein berufliches El Dorado kannten. Auch oder gerade weil man sich dauerrauchend und -kaffeetrinkend Nächte und Wochenenden um die cool verstöpselten Ohren schlagen durfte und sich damit so schick vom spießigen Ex-Banknachbarn mit Lehrvertrag bei der Kreissparkasse abheben konnte. Der Feierabend ging direkt in die nächste Bar über. Soweit das Klischee. Die Agentur als Arbeitgeber hatte zeitweise nicht viel mehr zu tun als dieses Klischee zu füttern – Anstrengungen, Talente dauerhaft zu begeistern und zu binden, waren lange Zeit unnötig, schließlich standen die kreativen Köpfe von Morgen freiwillig Schlange an der gläsernen Eingangstür.

Dann kamen die Nullerjahre. Die Generation Praktikum wurde älter und müder. Der gleißende Horizont entpuppte sich zunehmend als Fata Morgana. Work-Life-Balance avancierte zum Synonym einer sich selbst überdrüssigen Arbeitswelt. After-Work-Partys wahrten nur noch den Schein freizeitlichen Ausgleichs. Der Burn Out wurde Small Talk-fähig, Dauerverfügbarkeit unsexy. Arbeitnehmer forderten mehr Leben, mindestens aber die Balance von Arbeit und Leben, Arbeitgeber standen plötzlich in der Pflicht, ihren Mitarbeitern mehr zu bieten als einen Eames Chair im Büro und High-End-Latte-Maker. Die Ausrichtung auf Work-Life-Balance und Diversity wurde zum Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt, der sich positiv auf Mitarbeitermotivation und gegen eine zunehmende Mitarbeiterfluktuation auswirkte. Heute, 15 Jahre später, rufen erste Stimmen bereits den Tod der Work-Life-Balance (WLB) aus, während die Agenturwelt ihr Personal noch mit WLB-Konzepten zu locken sucht. Das ergab eine aktuelle Bachelorarbeit, vorgelegt an der Steinbeis-Hochschule Berlin, die sich mit den Auswirkungen von Work-Life-Balance-Maßnahmen auf das Commitment von Agenturmitarbeitern befasst. Mit einem eindeutigen Ergebnis: „Agenturen haben der Untersuchung zu Folge in Sachen Work-Life-Balance erheblichen Nachholbedarf.“ (W&V Online). Das soll auf eine Branche zutreffen, die die (Konsum-)Trends von morgen übersetzt?

Work-Life-Balance versus Commitment

Grundsätzlich scheint das Thema Work-Life-Balance noch immer Relevanz zu besitzen, entsprechende Angebote werden gerne genutzt, so die Auswertung der Fragebögen, die im Rahmen der Abschlussarbeit Mitarbeitern aller großen deutschen Agenturen vorgelegt wurden. Das Maßnahmenpaket führen in diesem Zusammenhang allerdings Standardmaßnahmen wie Betriebsfeiern oder Tage der Offenen Tür (79,35 Prozent) an, gute 78 Prozent gehen auf Workshops und Weiterbildungsmaßnahmen unter dem Stichwort „Kompetenzentwicklung“ zurück. Immerhin, fast die Hälfte der Befragten können Angebote zur Arbeitszeitregelung wie Teilzeit, Gleitzeit und Sabbaticals nutzen. Fitness und Ernährungsberatung erzielen 24 Prozent, weit abgeschlagen ist das Thema Betreuungspflicht: Kinderbetreuung und entsprechende Versorgungsarrangements können lediglich in 5 Prozent der Fälle in Anspruch genommen werden. Ein recht mageres und vor allem rückständiges Ergebnis, bedenkt man, dass WLB für die Generation X vor allem „abwechselnde Phasen von Erwerbstätigkeit und Phasen der Kindererziehung“ bedeutet (Wikipedia). Das schlägt sich auch auf der Zufriedenheitsskala der Umfrage nieder: „Nur 17 Prozent der Befragten sind ‚zufrieden’ oder ‚sehr zufrieden’ mit den angebotenen WLB-Maßnahmen. 45 Prozent sind ‚eher unzufrieden’ bis ‚sehr unzufrieden’, so W&V Online. Naja und die Generation Y? Setzt längst ganz andere Prioritäten. Arbeiten und Leben in Balance heißt für die Millenials, die eigene Zeit sinnvoll und nützlich einzusetzen, auch die Identifikation mit der eigenen Tätigkeit spielt eher eine Rolle als die Identifikation mit dem Arbeitgeber.

Damit deckt sich auch die Frage nach der Konsequenz der hohen Unzufriedenheit. Der anonyme Student konstatiert in seiner Arbeit ein erkennbar höheres Commitment gegenüber der Aufgabe beziehungsweise der ausgeübten Tätigkeit selbst als gegenüber der Agentur. Was im Übrigen nicht folgenlos bleibt: Die Mitarbeiterfluktuation in der Branche ist enorm. Talente stellen Ansprüche und die Personalabteilungen müssen reagieren. Derzeit sei es in der Agenturbranche, so eine Schlussfolgerung der Bachelorarbeit, noch sehr einfach, sich durch die erfolgreiche Umsetzung entsprechender WLB-Maßnahmen vom Wettbewerb abzuheben, sofern das Konzept glaubwürdig ist und so aktiv wie Hierarchie übergreifend vorgelebt wird. Doch ist das überhaupt noch zeitgeistig? Oder kann das weg?

Ist das à jour oder kann das weg?

Geht es nach Winfried Bergmann, Head of Human Resources bei der Serviceplan Gruppe, kann das weg. Oder wie er in seinem HORIZONT Online-Gastbeitrag zum Arbeiten in Agenturen schreibt: „Die Work-Life-Balance ist tot. Es lebe die Life-Life-Balance.“ Damit wäre eine scheinbar moderne Branche mit ihren müden Bemühungen in punkto WLB alles andere als en vogue. WLB? „Das war die Generation Y. Jetzt kommt Generation Z.“ Deren Anspruch? Der Job muss ins Privatleben passen und nicht umgekehrt. „Wenn ich schon meinen Job ins Privatleben hineinlasse, dann muss er sich auch so anfühlen, als würde er dort hingehören“, so Bergmann über die Wunschvorstellung der „Generation Z“, welche gerade in der Kommunikationsbranche und den Agenturen die Generation Y ablöst. Die HR-Abteilungen haben ihm zufolge die Aufgabe, Arbeitsprozesse „als integralen Teil der persönlichen Lebensführung erlebbar zu machen“, sonst sähe es in nicht allzu ferner Zukunft ziemlich düster aus in der Branche. Man will keine Kompromisse mehr eingehen. Eine klare Haltung, die sich die Baby-Boomer und ihre nachfolgende Generation X nicht einzunehmen getrauten.

Agenturen wie Unternehmen generell können nur gewinnen. Denn, auch das bestätigt Bergmann, wenn Arbeitgeber es schaffen, eine tragende Rolle im ‚Leben’ ihrer Nachwuchstalente zu spielen, verschwimmen auch die Grenzen zwischen geschäftlich und privat, „zwischen Werktag und Wochenende, zwischen müssen, dürfen und wollen und die Motivation für das Eine kommt aus dem Anderen, was immer es sei.“

X,Y,Z, WLB, LLB – und dann?

Ob Generation X, Y oder Z – eines ist gewiss: Nur wer einen Grund sieht zu bleiben, der bleibt. Das Angebot bestimmt eben nicht mehr allein die Nachfrage, auch die Nachfrage bestimmt das Angebot. Dabei ist es vermutlich egal, welches Etikett auf dem Angebot klebt, ob Work-Life-Balance oder Life-Life-Balance – was zählt ist der Inhalt. Für 73 Prozent der sogenannten Young Professionals ist das eine gute Bezahlung, 70 Prozent legen Wert auf eine gesunde WLB und 77 Prozent suchen ein abwechslungsreiches Aufgabenspektrum. Und das finden sie heute tatsächlich noch in Agenturen, so die Ergebnisse einer Befragung von unter 30-jährgen Mitarbeitern aus GWA-, GPRA-, BVDW-, OMG- und FAMAB-Mitgliedsagenturen im Vorfeld einer verbandsübergreifenden Employer-Branding-Kampagne. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) sind demnach zufrieden im Agenturumfeld und würden eine Agentur als Arbeitgeber aufgrund der vielseitigen Aufgabenbereiche weiterempfehlen. Es sieht also doch nicht so ganz düster aus für die Kommunikationsbranche.

Wie auch immer das weitergehen mag, was auch immer die Folgegeneration von ihrem Leben und ihrer Arbeit fordern wird, sie wird agieren wie jede andere „Folgegeneration“ auch: „Sie richtet sich in dem ein, was die vorangehenden Jahrgänge erstritten haben und füllt diese Strukturen mit ihr zeitgemäß erscheinenden Inhalten“, sagt Winfried Bergmann.


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Bildquelle: Geschäft vektor durch Freepik entwickelt

Autor: Yvonne Egberink

Veröffentlicht am: 03.11.2016


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