Kreativ sein kann jeder!
Drei Grundprinzipien der Kreativität
In Deutschland fanden 1967 erste Brainstorming-Seminare statt. Heute gibt es über 100 bekannte Kreativitätstechniken und es werden immer mehr. Weil: Kreative sind kreativ, auch im Erfinden neuer Methoden. Grund genug, sich das mal genauer anzuschauen mit der Kreativität und den Techniken dahinter. Wir stellen hier und heute Voraussetzungen für Kreativität vor und die drei Grundlagen, auf denen die meisten Kreativitätstechniken fußen. In den kommenden Wochen werden wir dann in einer lockeren Folge Techniken vorstellen – alles mit dem Ziel, dass mit diesem Methodenwissen Konzepte noch mehr Wirkung entfalten, Überraschungen hervorrufen und nachhaltigere Geschichten erzählen.
Voraussetzungen für Kreativität – was muss stimmen, damit wir kreativ werden können?
A – Der richtige Ort
Heureka – Archimedes hat das nach ihm benannte Prinzip angeblich in der Badewanne entdeckt. Auch beim Duschen kommen einem oft die besten Ideen, heißt es. Genauso beim Joggen oder sogar auf dem Klo. Kreativitätsforscher wie der Schweizer Gottlieb Guntern sagen, dass Entspannung und Zerstreuung, die an solchen Orten entstehen, kreative Gedanken überhaupt erst möglich machen. Am kreativsten sind wir einer Studie des Albion College zufolge kurz vorm „Wegdämmern“, wenn wir am wenigsten produktiv sind: Kurz vor dem Schlafengehen, wenn es im Gehirn schon beginnt, ein wenig zu nebeln und wir unseren Gedanken beim Verklären zuschauen. Viele kennen und nutzen diesen Effekt und haben Block und Stift (neudeutsch Smartphone) immer neben dem Bett. Auch Spazierengehen macht kreativ und das ist gar nicht (nur) der natürlichen Umgebung geschuldet, sondern allein der Bewegung. Es reicht schon einfaches Herumgehen im Raum, um bessere Ideen zu bekommen und Erfindungsgeist sowie Assoziationen zu wecken. Im Umkehrschluss ist der Schreibtisch für viele ein ungeeigneter Ort für Kreativität, solange er mit Arbeit, Stress und Druck verbunden wird. (Side-Kick: Das haben viele Unternehmen längst erkannt und fördern kreative Arbeitswelten.)
Beim richtigen Kreativort kommt es aber auch auf die sogenannten Hygienefaktoren an – wer friert oder schwitzt, ständig von der Sonne geblendet wird oder unbequem sitzt, kann nicht kreativ sein, weil er die ganze Zeit damit beschäftigt ist, einen besseren „Daseinszustand“ zu erreichen. Nicht zuletzt ermöglichen flexible Möbel, mobile Trennwände und viel Platz für Notizen Kreativität. Ein perfekter Kreativort schafft Möglichkeiten, um Gedanken und Wissen für alle sichtbar zu machen und Rückzugsmöglichkeiten, um bei Bedarf ungestört arbeiten zu können.
B – Die richtigen Menschen
Für kreative Ideen braucht man kreative Menschen. Richtig? Jein. Die passende Mischung macht’s – Kreativität entsteht, wenn die richtigen Menschen zusammenkommen und die kommen am Besten aus verschiedenen Disziplinen, Abteilungen und Hierarchieebenen zusammen. Ein bisschen Psychologie und Soziologie, Maschinenbau und Informatik, BWL und Jura, dazu noch Unterschiede in Alter, Geschlecht und Firmenzugehörigkeit – fertig ist die ideale Ursuppe für tolle Ideen. Warum das so ist? Zum Einen befeuert die Verschiedenheit den Austausch von Fachwissen, Kompetenzen und Methodik – so kommt ein viel größerer Ideenpool zustande, in dem getaucht werden kann. Auch die Herangehensweise wird durch die Heterogenität eine andere. Viele verschiedene Blickwinkel und Erfahrungshintergründe ermöglichen eine Bandbreite von Sichtweisen, die dem einzelnen „Kreativen“ nicht möglich wäre.
Der einzelne „Kreative“ – gibt es den eigentlich oder kann in der richtigen Runde jeder kreativ werden? Ja und ja (siehe oben). Es gibt einfach Menschen, die leichter Zugang zu ihrer Ideen- und Assoziationswelt haben und werden von ihr – Freude und Fluch zugleich – fortwährend mit neuen Ideen und Eindrücken zugeballert. Während unsereins nur ein Buch liest, schreibt der Kreative beim Lesen gedanklich direkt drei neue. Daher gelten Kreative im Umfeld als anstrengend und chaotisch und sie sind extrem ambivalent – dominant und zartbesaitet zugleich, wie ein Artikel im Magazin „Events“ sehr schön beschreibt.
Wer sich die Mühe macht und sich genauer anschaut, wie Kreative ticken, kann viele Methodenansätze ableiten. Fragen Sie doch einfach mal Ihren „Lieblingskreativen“, wie er seine Fließbandideen produziert.
C – „Was hilft die 42?“ – nur wer die Frage kennt, kann die Antwort verstehen.
Vor der kreativen Problemlösung steht die Definition der Fragestellung. Jetzt können Sie sagen – wieso, kreativ ist man immer und die tollsten Ideen kommen beim Duschen, habt Ihr doch oben geschrieben. Ja, aber... Wer die Problemstellung nicht kennt, der kann keine Lösung finden. Das ist in der Autowerkstatt so, ist auch im Agenturbereich so und daher ist die Problemdefinition (neudeutsch: das richtige Mindset) die Voraussetzung für Kreativität. Wer im Dunkeln herumirrt, findet vielleicht (Blindes-Huhn-Methode) auch den Ausgang, mit Licht geht es leichter. Daher steht vor der Anwendung jeder Methode erst eine gemeinsame Definition der Herausforderung, der Grundfrage und/oder der Zielsetzung: nur so können die mit den Kreativitätstechniken gefundenen Lösungsansätze angemessen ausgewertet und schließlich auch umgesetzt werden. Denn jede Problemlösung ist nur so gut wie ihr Transfer in die Praxis.
D – Endlich – Grundprinzipien der Kreativität
„Lass uns mal brainstormen!“ – heißt es im Allgemeinen, wenn Menschen zu kreativen Prozessen zusammenkommen sollen. Das Prinzip der freien Assoziation ist mittlerweile zum Synonym fürs Gedankensammeln geworden – aber es ist bei Weitem nicht das einzige. Hinter den unzähligen verschiedenen Kreativitätstechniken, die wir kennen, finden sich erstaunlicherweise immer dieselben drei Grundprinzipien. Wir haben uns intensiv bei den Kollegen, in Veröffentlichungen und Studien umgeschaut und die vorhandenen Methodenklassifizierungen, die meistens in vier oder gar sechs Kategorien daherkommen, mal genauer betrachtet. Herausgekommen sind erstaunlicherweise nur drei Grundtechniken hinter Kreativität – Assoziation, Disruption und Analogie. Alle drei werden wir hier kurz vorstellen, um in den nächsten Folgen genau auf das Prinzip und die richtigen Einsatzbereiche einzugehen. Denn es ist wie beim Werkzeugkoffer – so durchschlagend seine Wirkung sein kann, der Hammer ist nicht immer die richtige Wahl!
1. Prinzip Assoziation
Hier kommt es direkt, das Brainstorming. Das Prinzip der freien Assoziation ermutigt, Einfälle frei und unzensiert zu äußern. Alle Gedächtnisinhalte und äußeren Eindrücke, die in irgendeiner Weise mit dem Thema assoziiert sind, werden in den Problemlösungsprozess eingebracht, mit dem Ziel neue Kombinationen, Zuordnungen und gedankliche Strukturen zu finden. Verfeinert wird es durch Techniken wie Brainwriting (auch Kartenumlauftechnik genannt), Brainwalking sowie die Ringtauschtechnik oder Methode 635, bei der, ähnlich wie bei einem bekannten Kinderspiel, Ideen des Vorgängers weiterentwickelt werden.
Die strukturierte Assoziation, deren bekannteste Vertreterin die Mindmap ist, setzt aufs gleiche Pferd, gibt ihm aber Trense und Sattel dazu. Hier werden Denkrichtungen oder andere Elemente für die Ideenfindung vorgegeben – das macht den Prozess schneller, kann ihn allerdings auch einschränken. Bekannte Techniken der strukturierten Assoziation sind die Walt-Disney-Methode, bei der die Teilnehmer in verschiedene Rollen schlüpfen, sowie die Hüte- oder Farbenmethodik nach De Bono, bei der verschiedene Perspektiven zu einer Frage eingenommen werden. In diese Gruppe passt auch das Prinzip Imagination, das die freie Assoziation mit der Frage „Was wäre wenn …“ verbindet und eine Fantasiereise einleiten soll.
2. Prinzip von Disruption und Konfiguration
Das spannende Prinzip der Regelbrecher geht davon aus, dass man Einfälle am Besten dort findet, wo niemand danach sucht. Was auf den ersten Blick trivial wirkt, hat es jedoch in sich: Was die Methode effektiv macht, ist der provozierte Perspektivwechsel: Welche Elemente, die es schon gibt, kann ich neu kombinieren? Welche etablierten Regeln gibt es, was passiert, wenn ich sie aufhebe? Eis gibt es nur im Sommer? Muss nicht sein!
Bekannte Techniken, die sich dieser Vorgehensweise bedienen, sind die Osborne-Methode nach dem Mitbegründer der Werbeagentur BBDO oder die SCRAMPER-Technologie. Beide Methoden bieten Checklisten zur 360-Grad-Herangehensweise an eine Fragestellung, indem sie die Grundidee ändern, ergänzen, umkehren, vereinfachen, reduzieren oder anders kombinieren. In diese Kategorie passt auch die Blue-Ocean-Strategie, mit der Unternehmen abseits des bekannten haiverseuchten Ozeans, neue, profitable Märkte finden können.
3. Prinzip Konfrontation und Analogie
Das Wort Konfrontation sagt es schon – hier soll die Auseinandersetzung mit einem Thema oder einer Frage bewusst gefördert werden, indem diesem Thema eine art- oder themenfremde Idee mit ggf. ähnlichem Grundmuster (das wäre die Analogie) gegenübergestellt wird. Aus den Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen Problem und Analogie werden neue Lösungsansätze entwickelt. Man geht von der Erkenntnis aus, dass Problemlösungsansätze durch Konfrontation mit problemfremden Aspekten entstehen können. Bilder, Gegenstände oder auch Ideen, die mit dem Ausgangsproblem in keiner erkennbaren oder einer ursprünglich anderen Verbindung stehen, werden genutzt, um von ihnen ausgehend Merkmale, Eigenschaften oder Struktur- und Ablaufprinzipien abzuleiten, die Lösungsansätze für das eigentliche Problem bieten. Beispiele für diese Herangehensweise sind die TRIZ-Methode oder auch die Cross Innovation-Methode vom Zukunftsinstitut zur Produktentwicklung sowie verschiedene Wort- oder Bild-Projektionstechniken wie z.B. die Bisoziation, die auf das Neukombinieren von Bildern und das Zusammenfügen von Informationen setzt, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen.
Für die Fortsetzung der Reihe freuen wir uns sehr über Ihre Beteiligung! Sie haben ungewöhnliche, neue Beispiele für erfolgreich angewandte Kreativitätstechniken? Schicken Sie sie gerne an redaktion@mice-club.com: Wir veröffentlichen diese gerne, natürlich mit Ihrem Namen!
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