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Meinung

Gibt es ein Entkommen aus der Eventbranche? – Wie lautet Ihre persönliche Exit-Strategie?

Der Job des Eventmanagers: Fluch und Segen zugleich

Traumjob Eventmanager? Klares Jein, könnte man sagen. Sicherlich fängt es für viele traumhaft an im Job. Es locken Verantwortung und Vergünstigungen, atemberaubende Markeninszenierungen und Reisen in tolle Destinationen. Wer taucht schon nicht gerne in die Welt der Luxushotellerie, kulinarischer Highlights, schneller Autos und Stars & Sternchen ein? Und das oftmals sogar ohne entsprechende Berufsausbildung. Denn Eventmanager darf sich sozusagen jeder nennen. Die Berufsbezeichnung ist – ähnlich wie bei Fotografen und Unternehmensberatern – nicht geschützt. Viele – gerade ältere Hasen – sind Quereinsteiger und haben ihre Erfahrungen „on the job“ gemacht.

Nachdem die ersten vielversprechenden Berufserfahrungen gemacht worden sind, fängt es aber in der Regel auch schon an mit dem Stress, der nicht wenigen schnell über den Kopf wächst. Am ehesten lässt sich das Berufsbild eines Eventmanagers vielleicht mit dem eines Reiseleiters vergleichen. Bei 24 Stunden Einsatzbereitschaft am Stück heißt es, sich hier zu kümmern und dort mit anzupacken, auf jeden noch so abstrus erscheinenden Kundenwunsch einzugehen und dabei immer gute Miene zum oftmals regellosen Spiel zu machen. Nicht ohne Grund behauptet man in der Touristikbranche, dass ein Reiseleiter nach zwei bis drei Jahren im Job „durch“ ist. Tatsächlich verhält es sich in der MICE- und Eventbranche ähnlich.

Auf der Suche nach der richtigen Balance

Wie soll sich auch eine ausgewogene Work-Life-Balance einstellen, wenn das Wochenende mal wieder dem Job und dem Kunden gehört, nach einem kurzen „Hilfeschrei“ die nächste unbezahlte Nachtschicht ansteht und neue Kundenwünsche die x-te Überarbeitung des Regieplans erfordern? Ja, auch das gehört zum Alltag eines Eventmanagers – und so sieht er sich bisweilen einem Druck ausgesetzt, der ihn nicht selten bis an den Rand des Burnouts treibt oder sogar darüber hinaus. Darunter leidet natürlich (falls vorhanden) auch das Familienleben.

Wer sich nach einigen Jahren auf der obersten Sprosse der Karriereleiter angekommen sieht, dem steht in der Regel kein weiterer Aufstieg mehr bevor, weder in Agenturen noch in Unternehmen und – was sich von selbst versteht – schon gar nicht als Selbständiger oder Einzelunternehmer. Nun haben wir hier schon häufiger über die Freelancer-Problematik und die Unsinnigkeit vieler Pitches berichtet und wollen darauf daher nicht noch einmal näher eingehen.

Selbstverwirklichung um jeden Preis oder gutbezahlte Monotonie?

Schlimmer noch: Gerade die Kreativen, die ihre Erfüllung und Selbstverwirklichung in abwechslungsreichen Projekten mit stets neuen spannenden Aufgabenstellungen finden, geraten in einen Teufelskreis, aus dem sie – zumindest innerhalb der Eventbranche – kaum entkommen können. Denn entweder zerreiben sie sich an den skizzierten Rahmenbedingungen im Agenturgeschäft oder sie suchen ihr Heil in einem Wechsel auf Unternehmensseite und geraten in die nächste Zwickmühle: Zwar stimmen jetzt Bezahlung, Arbeitszeiten und Work-Life-Balance, dafür langweilen die ewig gleichen, monotonen Aufgabenstellungen und ein steifes Arbeitsklima. Nicht selten folgt dann der Weg zurück auf Agenturseite. Dann ist der Stress doch das geringere Übel.

Fehlende Unterstützung des Gesetzgebers

So sitzt man also wieder an der nächsten Ideenskizze und arbeitet in unzähligen Tag- und Nachtschichten ausgereifte Konzepte mit Wow-Effekt aus. Nicht selten sagt der Kunde nicht einmal „Danke“, wenn er dann die aufwändig illustrierte Präsentation mit detaillierter Kalkulation bis zum Kabelbinder in einer E-Mail-Absage per Einzeiler quittiert, um die Ideen dann in Eigenregie „kosteneffizient“ selber umzusetzen.

Zieht man dann als Eventagentur gegen den Kunden vor Gericht, geht man mit Vergütungsansprüchen für Konzeptions- und Recherchetätigkeiten regelmäßig baden, da diese Leistungen von den Gerichten als „unentgeltliche Akquisetätigkeiten bzw. als unverbindliche Angebotserstellung“ angesehen werden. Und wieder hat man für den Papierkorb gearbeitet – ein großes Motivationsloch des bearbeitenden Kreativteams inklusive.

Hohe Komplexität, Verantwortung und Haftungsrisiken

Fakt ist, dass der Eventmanager wirtschaftlich wie organisatorisch an vielen Fronten zu ackern und zu kämpfen hat. Es ist nicht zuletzt die komplexe Mixtur aus zahlreichen Dienstleistern, die bisweilen zum „Haare raufen“ einlädt. Denn wer hat Schuld, wenn das Essen nicht warm genug ist, die Präsentationstechnik Aussetzer hat, die Klimaanlage im Hotelzimmer nicht läuft, der Shuttlebus Verspätung hat oder es plötzlich anfängt zu regnen? Richtig: der Eventmanager.

Doch Gefahren lauern noch an ganz anderen Stellen: Der deutsche Bürokratismus, die ständig anziehenden Sicherheitsanforderungen und eine immer komplexer werdende Regelungsdichte in einem Dickicht an Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen machen es für einen Eventmanager fast unmöglich, sämtliche Vorschriften zu beachten. Welcher Eventmanager möchte von sich behaupten, dass er einen lückenlosen Überblick über vorhandene Rechtsnormen in der Eventbranche behält, wenn er im täglichen Job kaum Luft zum Atmen, geschweige denn zu überfälligen Fortbildungen hat? So ergibt sich neben der ohnehin hohen inhaltlichen auch eine erhebliche haftungsrechtliche Verantwortung, die bei Nichtbeachtung zu erheblichen Gefahren für Leib und Leben und einen Projektleiter oder dessen Agenturchef auf direktem Wege in den Knast führen können.

Haifischbecken MICE-Branche

Wenn dann noch der Wettbewerber seine Ellbogen ausfährt, ehemalige Mitarbeiter einem langjährige Kunden ausspannen und am Ende nur noch der Preis statt Qualität zählt, mag einem die Lust am Job so langsam aber sicher vergehen.

Hinzu kommt in vielen Bereichen der Branche ein fehlendes Werteverständnis: Die „Höher – Schneller – Weiter“-Mentalität, unsinnige Materialschlachten und ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse bei gleichzeitiger Gewinnmaximierung auf Kosten von Qualität und Sicherheit vergraulen gerade auch junge Leute, denen ein sinnstiftender, auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Beruf wichtiger denn je ist.

So überlegt sich der eine oder andere früher oder später aus dem Job auszusteigen, um weniger Verantwortung für andere übernehmen zu müssen und mehr Zeit für die eigene Familie zu haben. Manch einer mag sich das im wahrsten Sinne des Wortes „leisten“ zu können, die meisten freilich nicht.

Luxus vs. Frust

Ganz klar: Das Dasein als Eventmanager hat ein gewisses Suchtpotenzial. Denn ewig lockt der Luxus, etwa in Form von attraktiven Vergünstigungen bei Flügen, Mietwagen, Hotelübernachtungen oder sogenannten PEP-Angeboten. Diese ‚Produkterfahrungsprogramme‘ sind oft sogar völlig kostenlos, in der Hoffnung, dass die MICE-Fachkraft ihre Kundschaft von den Vorzügen einer Destination, einer Luxusherberge oder eines actionreichen Rahmenprogramms überzeugt. Unterwegs sind die Mahlzeiten meist auf Sterneniveau und die Hotels warten mit einer kostenlosen Wohlfühlmassage auf den ausgebrannten Eventmanager. Wer lässt sich das schon freiwillig entgehen?

Das nimmt jeder Eventmanager natürlich gerne mit und dennoch stellen sich aus den zuvor genannten Gründen irgendwann im Berufsleben erste Sorgenfalten ein. Es soll und kann nicht immer so weitergehen in all der Hektik. Irgendwann muss die 24/7-Bereitschaft auch mal ein Ende haben. Das x-te Hotelzimmer im Jahr langweilt nur noch, da man eh keine Zeit für Sightseeing in London hat und der Flieger um drei Uhr nachts erreicht werden muss, um rechtzeitig für die nächste Autopräsentation in Kapstadt zu sein, um dort nicht einmal anderthalb Tage verweilen zu „dürfen“. Das Handy ist tags wie nachts – auch für den Kunden – in Bereitschaft, der langersehnte Urlaub mal wieder verschoben und das Leben „on the road“ fordert auch erste körperliche Wehwehchen.

Zukunftsperspektive: eher düster

Irgendwann drückt er auch von hinten nach, der Nachwuchs in der Eventbranche, der alles noch höchst locker, frisch und motiviert angeht. Hier wird man mit Mitte 40 oft schon an die Außenlinie gedrängt, während in Wirtschaft und Politik Forderungen nach der Rente mit 69 laut werden. Die Ausbildungsschwemme tut ihr Übriges, wenn der Arbeitsmarkt seit Jahren mit jungen, günstigen Arbeitskräften überflutet wird. Denn gerade in der Eventbranche herrscht ein Jugendwahn junger Nachwuchskräfte vor, die man vortrefflich mit unbezahlten Überstunden und Hungerlöhnen ausbeuten kann. In manchen Agenturen gibt es mehr Azubis, Praktikanten und Freelancer als Festangestellte. Wie im Leistungssport und bei Olympischen Spielen mag man sich da vorkommen. Großer Jubel für einen Abend nach langer Vorbereitungszeit, dann ein herzlicher Handschlag und bestenfalls die zeitnahe Entlohnung und schon droht das Karriereende mit Anfang 30.

Wäre man nur mal verbeamteter Lehrer oder vereidigter Anwalt geworden. Und selbst die klagen ja gerne über Stress, weil der Wecker zu früh klingelt oder ein Tag in den Sommerferien für die Arbeit draufgeht. Immerhin kann man sich anderswo sicher sein, dass der Staat, die Berufskammer oder der Interessenverband einen nicht im Regen stehen lassen. Denn jede Arbeitsminute wird vergütet, jede Überstunde darf abgefeiert werden und die Rente ist so gut wie sicher.

Wie sieht die eigene Zukunft aus?

Natürlich soll das hier kein Abgesang auf den Job des Eventmanagers werden. Auch Landwirte oder Handwerker, Sekretäre oder Friseure mögen es schwer haben und sich über die Maße aufreiben müssen für ihr „tägliches Brot“. Und das sogar ohne von zig Vergünstigungen und fürsorglicher Bauchpinselei zu profitieren. Dennoch bleibt so manches Lebensziel auf der Strecke und so mancher Traum unerfüllt, wenn man sich Jahre bis Jahrzehnte lang zwischen finanzieller Unsicherheit und moderner Sklaverei aufhält – und erst im höheren Alter auf die Idee kommt, dass das ja nicht alles gewesen sein kann.

So mögen die gut Ausgebildeten irgendwann in die Lehre, die besonders Smarten ins Coaching und die extrem Erfolgreichen ins Beratungsmetier wechseln. Für eine große Anzahl an Eventmanagern aber bleibt am Ende die Frage: Wie lange kann ich noch und was mache ich danach? Als Quereinsteiger nach 10 oder 15 Jahren wieder zurück in den gelernten Beruf kehren – in der stetigen Gewissheit, dass ein Ausstieg oder ein „Herunterfahren“ als Misserfolg gewertet werden?


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Bildquelle: Hintergrund vektor durch Dooder - Freepik.com entwickelt

Autor: Frank Brehm & Dominik Deubner

Veröffentlicht am: 25.08.2016


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