Ein Armband für Mekka
Digitale Technik für muslimische Pilger
Hier die fortschreitende Digitalisierung, dort die arabische Welt – wer denkt, dass hier zwei unvereinbare Gegensätze aufeinandertreffen, irrt sich. Denn in Dubai, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, existiert analog zum amerikanischen Silicon Valley schon seit 2004 die sogenannte Silicon Oasis. Der rund sieben Quadratkilometer große Technologiepark ist als Freihandelszone ausgewiesen und beherbergt neben internationalen Branchengrößen auch die einheimische IT-Schmiede Daria Tech. Das noch junge Unternehmen versteht sich besonders auf die Entwicklung und Produktion sogenannter Wearables, also Gadgets, die dem Internet der Dinge zuzuordnen sind und immer stärker Einzug in die Event- und MICE-Branche halten.
Als eines der größten alljährlich stattfindenden Events wiederum kann der Hadsch gelten. Denn jedes Jahr machen sich bis zu zwei Millionen Muslime gleichzeitig zur großen Pilgerfahrt nach Mekka auf. Die Stadt Mekka platzt dabei regelmäßig aus allen Nähten. Nicht zum ersten Mal kam es 2015 zu einer großen Katastrophe. Bei einer Massenpanik verloren über 700 Personen ihr Leben, wurden erdrückt und totgetrampelt, rund 100 weitere starben, als ein Baukran im Sturm umstürzte. Es wird angenommen, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt. Keine Frage, dass die saudi-arabische Regierung gefordert war und die Sicherheitsvorkehrungen zum Hadsch 2016 signifikant erhöhen wollte.
Smartes Armband für mehr Sicherheit?
Die Idee ist sicherlich lobenswert. Die Saudis beauftragten Daria Tech aus Dubai mit der Produktion eines smarten Armbands, das als sogenannter „Hajj Guider“ auf den Markt kam. Über das integrierte GPS-Modul lassen sich Menschenströme in Echtzeit überwachen. In Verbindung mit einer Smartphone-App dient der „Hajj Guider“ dem Träger auch als Navigationshilfe, informiert über Gebetsorte und -zeiten und speichert für den Notfall persönliche und medizinische Daten. Er hilft auch im Offline-Modus dabei sich zurechtzufinden und kann darüber hinaus dem Aufspüren von Angehörigen dienen, die man im Gedränge aus den Augen verloren hat.
Der „Hajj Guider“ ist übrigens das bislang erste und einzige Produkt des Startups Daria Tech. Kostenlos verteilt wurden die Sicherheitsarmbänder zum diesjährigen Hadsch im September freilich nicht. In Großbritannien kostete ein Exemplar zuletzt stolze 229 Pfund. Für Pilger aus armen Herkunftsländern dürfte der „Hajj Guider“ also unerschwinglich gewesen sein, sofern man überhaupt Kenntnis vom Produkt hatte.
Fazit: Eine unausgegorene Sache
Es darf getrost davon ausgegangen werden, dass der „Hajj Guider“ die Orientierung und Sicherheit einzelner Pilger verbessert hat, jedoch im großen Ganzen so gut wie nichts bewirkt hat. Um wirklich für mehr Sicherheit zu sorgen, hätten hunderttausende Menschen mit dem Armband ausgestattet sein und es bedienen können müssen. Fraglich ist außerdem, ob eine Echtzeitüberwachung seitens der saudischen Behörden überhaupt stattgefunden hat und sei es für den Anfang nur testweise gewesen. So ist es wenig verwunderlich, dass das Internet außer Produktwerbung nichts weiter zum „Hajj Guider“ bereithält.
Die große Katastrophe blieb beim Hadsch 2016 zwar aus, aber wieder hat der Ansturm auf Mekka über 100 Pilger das Leben gekostet. Offiziellen Angaben zufolge starben alle Opfer eines natürlichen Todes.
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Bildquellen: Ahmad Masood, Al Jazeera