Die Nägel sind vergeben
ADC-Jury-Mitglied Michael Veidt im Exklusivinterview
Der Art Directors Club (ADC) bezeichnet sich selber „als Maßstab der Kreativen Exzellenz“ – ein selbstbewusstes Selbstbildnis, bei dem der schmale Grat zwischen Arroganz und Coolness eine tägliche Herausforderung darstellt. So recht mag der ADC in der Eventbranche noch nicht vollends angekommen zu sein, spielen die Eventler im Gesamtkonzert aller Kreativen nur eine untergeordnete Rolle. Dabei kann der ADC in Deutschland auf eine über 50-jährige Geschichte verweisen.
Auch beim jährlich stattfindenden ADC Wettbewerb laufen die kreativen Werber den Eventlern den Rang ab. Während der FAMAB mit seinem FAMAB-Award – zumindest noch zu Zeiten des Forum Marketing-Eventagenturen (FME), aber auch heute noch – als Verband für die Event- und Ausstellungsbranche wahrgenommen wird, ist der ADC eben die Heimat aller Kreativen – gleich welcher Disziplin. So fühlt sich eine Auszeichnung mit einem der begehrten ADC-Nägel irgendwie sexier an als ein Apfel vom FAMAB, hat man doch die Aufmerksamkeit und die ganz große Bühne der Kreativen für sich sicher.
Im April war es nun wieder so weit. Als feierlicher Höhepunkt des ADC Festivals wurden bei der ADC Awards Show in Hamburg die Nägel verliehen - über 7.000 Arbeiten wurden zuvor von den Jurys bestehend aus 378 (!) Jurymitgliedern, aufgeteilt in 27 Jurys – beurteilt. Einer dieser Juroren ist Michael Veidt, Inhaber von Federfrei, dem freien Kölner Kreativbüro für Live-Kommunikation.
MICE Club: Michael, wie hat sich die Wahrnehmung und das Ansehen der Eventler im ADC in den vergangenen Jahren entwickelt? Welchen Stellenwert haben Events im Kontext der kreativen Markenkommunikation?
Michael Veidt: Meiner Meinung nach ist der Fachbereich „Event“ seit längerem beim ADC angekommen und nicht erst seit der letztjährigen Auszeichnungsflut für den unfreiwilligsten Spendenlauf Deutschlands „Rechts gegen Rechts“ unter Kreativen angesehen und anerkannt. Trotzdem ist der Fachbereich Event nur einer unter vielen, sowohl im Club als auch innerhalb unserer gesamten Kommunikationsbranche. Dabei zeigen gerade die ausgezeichneten Projekte der Branche ein ums andere Mal, welche kommunikativen Kräfte ein Event freisetzen und entfalten kann, wenn, ja wenn, man es kreativ angeht. Keine Frage, nach wie vor sind es die klassischen Kommunikationsdisziplinen, auf die alle schauen. Waren es im letzten Jahr ausnahmsweise mal die digitalen Projekte, haben die „Klassiker“ in diesem Jahr die große Aufmerksamkeit wieder zurückerobert. Ich bin dennoch der festen Überzeugung, dass sowohl beim ADC als auch bei vielen Unternehmen das Event innerhalb der Markenkommunikation seinen festen Platz gefunden hat – und zwar völlig zurecht. Warum? Weil Events andere Erlebnisse generieren können als andere Fachbereiche und umgekehrt.
MICE Club: Als Jurymitglied der Kategorie „Event“ bist Du ganz nah am Puls der Trends und kreativen Höhenflüge unserer Branche. Welche Entwicklungen bei den eingereichten Konzepten lassen sich aus Deiner Perspektive beobachten? Gibt es eine Verschiebung hin zu mehr „Digital“ oder ist die digitale Revolution eher als Innovationstreiber für die Eventbranche auszumachen?
Michael Veidt: Ich möchte nicht von einem Trend sprechen, sondern eher von einer Bestätigung längst bekannter Erkenntnisse. Alle ausgezeichneten Projekte zeigen doch eins: Events sind immer dann erfolgreich – und damit meine ich nicht die ADC-Auszeichnung - wenn sie ein klares Ziel verfolgen, eine zentrale Botschaft vermitteln, um die Einstellung und das Verhalten der Zielgruppe zu festigen oder zu verändern. Genau das wird u.a. bei den Projekten „The Namechanger“, „Wortfusion“ und „Enjoy the silence“ mehr als deutlich und vor allem zu 100% erlebbar. Ob die „Produktion der Botschaft“, das „Spiel mit der Botschaft“ und die Reflektion dieser dann mehr im Digitalen oder Analogen stattfindet, ist sicherlich projekt- und produktabhängig. Schaut man sich allerdings die „Ausgezeichneten“ wie „SchlafGut Erlebnis“, „airtramp“, „Mission Astra“ und selbst „Ausgeflixt“ an, so leben die Projekte in erster Linie vom Erlebten vor Ort und liefern erst im Anschluss den Content für die digitalen Medien und nicht umgekehrt. Große Ausnahme ist sicherlich das Projekt „Mercedes Live“, bei dem erst die digitale Revolution bzw. eine revolutionäre Technik das Erlebnis ermöglichte. So bleibt für mich „das Digitale“ eher ein Transporteur als ein Treiber.
MICE Club: Welche der Einreichungen hat Dich persönlich am nachhaltigsten beeindruckt und warum?
Michael Veidt: Persönlich haben mich mehrere Einreichungen nachhaltig beeindruckt. In erster Linie sicherlich die Fraunhofer Jahrestagung 2015 „Licht gestaltet“, die auch zurecht mit einem silbernen Event-Nagel ausgezeichnet wurde: Ein Projekt, bei dem Originalität, Klarheit, Kraft, Machbarkeit und Freude in jedem Augenblick des Projekts zum Ausdruck kommen. Auf der anderen Seite hat mich das Public Event „Mein Gott, dein Gott“ sowie die temporäre Installation „Folter Fountain“ von Amnesty International extrem beeindruckt. Beide bewirken eine Bewusstseinsänderung und kommunizieren eine zentrale Botschaft klar, unmissverständlich und erlebnisreich. Negativ in Erinnerung geblieben ist mir leider aber auch, dass es im Bereich „Storytelling – Narration / Dramaturgie“ kein einziges Projekt auf die Shortlist geschafft hat. Nicht nur für mich mehr als überraschend, reden doch Eventagenturen, ob groß ob klein, in letzter Zeit von nichts anderem.
MICE Club: Über Geschmack, aber auch über Bewertungskriterien lässt sich bekanntlich vortrefflich streiten: Welche Kontroversen innerhalb der Jury werden mit den härtesten Bandagen geführt?
Michael Veidt: Über Geschmack lässt sich zweifelsohne streiten, nicht aber über herausragende Kommunikation. Ein Grund, warum es über die gesamten zwei Jury-Tage stets zu fachlichen, wie auch sachlichen Diskussionen gekommen ist, waren sicherlich die klaren und eindeutigen Bewertungskriterien des ADC, die im Übrigen für alle Disziplinen gleichermaßen gelten. Anders als bei der angesprochenen „FAMAB Apfel-Ernte“, wo man sich als kreativer Außenstehender doch des Häufigeren nach dem „WARUM“ fragt.
„Härtere Bandagen“ wurden in der ADC-Jury eigentlich nur angelegt, wenn sich die Jury nicht einig war, ob es sich bei dem Projekt um ein reines „Award-Projekt“ handelte oder nicht. Anders gesagt, welche Events wurden eindeutig gefaked, um einen schönen Werberfilm zu erzielen und welche waren wirklich LIVE.
MICE Club: Kreative Eventkonzepte fristen in der Gesamtheit des Marktes immer noch ein Schattendasein. Da fehlt häufig der Mut für innovative Ideen, Überraschungsmomente oder gar bewusste Brüche: Welchen Rat kannst Du den beteiligten Personen auf Kunden- und Agenturseite geben, damit das Wagnis kreativer Ideen mehr als Treiber und Rüstzeug für die zukünftige Entwicklung ins Bewusstsein der Protagonisten gelangt?
Michael Veidt: „If the idea is good you can do anything“ bringt es eigentlich auf den besagten Punkt. Wer an die Kraft seiner Ideen glaubt, wird auch dafür zu kämpfen wissen. Eine gute Idee ist anders als ihre Umsetzung und Ausführung erst einmal budgetunabhängig. Ist die Zielformulierung klar, ist die Ideenbewertung auch keine Frage mehr des Geschmacks. Kunden davon zu überzeugen ausgetretene Pfade zu verlassen und neue zu beschreiten ist denkbar einfach. Und zwar mit dem Wissen, dass Emotionen in erster Linie auslöst werden, wenn man Erwartungen NICHT erfüllt. Was spricht also dagegen Strukturen zu brechen und „Neues zu denken“? Ich kann alle Kreativen nur dazu ermutigen dranzubleiben. Kunden und Publikum werden es uns danken!
MICE Club: Vielen Dank, Michael, für Deine spannenden Einblicke in Deine Jurytätigkeit beim ADC.
Das Gespräch führte Dominik Deubner.
Alle Gewinner-Projekte können hier eingesehen werden.
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Bildquelle: ADC, Federfrei