Die digitale Transformation der MICE-Branche hat begonnen! Wirklich?
EventTech und die digitale Transformation: Zwei Schlagworte, die derzeit auch in der globalen Veranstaltungsindustrie in aller Munde sind.
Doch wo steht die MICE-Branche aktuell wirklich? Wieviel „Transformation“ ist schon angekommen? Warum gibt es in der Veranstaltungsbranche noch immer keine so richtig große Erfolgsstory wie Paypal, Venmo oder N26? Ist der Markt vielleicht etwas langsamer als andere Branchen? Intransparenter? Was hat es mit den berühmten „Implementierungswiderständen“ auf sich und welche Notwendigkeiten entstehen daraus, speziell für die Digitalisierung der MICE-Branche?
Zunächst einmal gibt es dazu zu sagen: MICE ist nicht gleich MICE. Und deshalb lässt sich die Frage auch nicht so einfach beantworten. Denn in der globalen Veranstaltungsbranche gibt es große Unterschiede. Dies sind einerseits kulturelle und länderspezifische Unterschiede im Nutzungsverhalten neuer Medien und Tools und in der Bereitschaft, diese technologischen Errungenschaften im engeren Sinne auch für das Management von Veranstaltungsleistungen zu nutzen.
Andererseits ist die Nutzerseite – also die Corporate Planner, Agenturen und weitere Planer und Mittler – keinesfalls eine einzige große homogene Gruppe, die durch ein einheitliches User-Verhalten segmentier- und damit greifbar wäre. Vielmehr erfreut sich diese Buyer- bzw. Planer-Seite größtmöglicher Heterogenität. Heterogen hinsichtlich Berufserfahrung, hinsichtlich persönlicher Präferenzen und auch hinsichtlich Alter. So liegt auf der Hand, dass ein junger Berufseinsteiger, der eben seine Lehre zum Veranstaltungskaufmann oder -frau beendet hat – ein sogenannter „Digital Native“, der ganz selbstverständlich mit neuen Medien aufgewachsen ist – einen anderen Zugang und damit eventuell auch eine andere, nämlich geringere Hemmschwelle hat, neue Tools auszuprobieren, als ein langjährig erfahrener aber schon betagterer Eventplaner. Dieser bringt Jahrzehnte an Planungs- und Destinationserfahrung im Veranstaltungsmanagement mit, mag jedoch eventuell aus Gewohnheit lieber auf ihm altbekannte und bewährte Planungs-Tools zurückgreifen wie beispielsweise die gute alte Excel-Liste. Natürlich ist dies nicht nur eine Generationenfrage. Auch persönliche Präferenzen und Notwendigkeiten spielen eine große Rolle: Gerade in der „vor-eventlichen Hektik“ greifen viele Planer lieber auf Bewährtes zurück, als sich mit der schier unendlichen Weite der neuen Angebote zuerst einmal auseinanderzusetzen.
Es braucht eben Zeit und Muße, um sich auf einer grundsätzlichen Ebene der Frage zu nähern: Was brauche ich wirklich und wie ganz konkret unterstützt mich ein Tool oder eine Anwendung bei meinen Aufgaben, so dass es eine Arbeitserleichterung darstellt und kein Kampf mit inkompatiblen Schnittstellen oder den Corporate-Anwendungen, die schlichtweg „vorher da waren“? Zeit, die viele Eventplaner nicht im Überfluss haben, neben dem Tagesgeschäft.
Ein weiterer Grund, der einer schnellen Implementierung neuer Tools entgegensteht, sind die Corporate-Strukturen und IT-Landschaften in Unternehmen. Denn auch wenn ein Planer ein neues „Lieblingstool“ entdeckt hat, so bedeutet dies noch lange nicht, dass er oder sie ab sofort auch damit arbeiten kann und darf. Hier steht zunächst die Frage im Raum: Darf ich überhaupt ein Tool auswählen, das nicht durch interne Genehmigungsprozesse der IT-Abteilung laufen muss? Mit welchen vorhandenen Programmen muss es kompatibel sein? Wo gibt es Schnittstellen? Und was sagt der Einkauf? Wer trifft überhaupt diese Entscheidung – und kennt sich dieser Entscheider mit den neuen Technologien auch aus?
Schon manch ein Start-up-Gründer hat sich gewundert, dass seine Anwendung trotz anfänglicher positiver Zeichen nicht sofort vom Markt in Windeseile angenommen wurde. Sondern dass die Anwendung oft zunächst Begeisterung entfachte, es dann jedoch zu – von außen oft nicht nachvollziehbaren – Implementierungswiderständen kam.
Hört man sich bei den EventTech-Anbietern um – speziell bei denen, die branchenfremd einsteigen – so ist die überbordende Euphorie und Gründerstimmung oft schon einer etwas konservativeren Haltung gewichen, die eine langsamere digitale Adaption in der MICE-Branche zu akzeptieren gelernt hat.
So fasst Lawrence Coburn, CEO und Co-Founder von DoubleDutch, einem Software- und Technologieanbieter für die MICE-Industrie zusammen: „Die ständige und umfassende Angst der Branche vor der Veränderung ist sicherlich der Aspekt, der dem Fortschritt am meisten im Wege steht. Viele der Prozesse in der MICE-Branche haben sich seit vielen Jahren nicht verändert oder entwickelt – und dies in einer Welt, die sich dramatisch verändert hat. Dies ist manchmal schwer zu begreifen – aber ich denke es ist so, weil der „alte Weg” noch funktioniert. Ich glaube aber auch, dass die digitale Transformation auch in der MICE-Branche kommen wird und ein Entwicklungssprung kurz bevorsteht. Entweder wir entwickeln uns oder wir werden ersetzt.”
Amin Guellil von UCM sieht auf Kundenseite noch viel Potenzial: „Digitalisierung ist in der MICE-Branche noch keine Selbstverständlichkeit. Auch wir müssen immer wieder feststellen, dass einige Kunden noch auf sehr veraltete Arbeitsmethoden bestehen. Die größte Herausforderung liegt unserer Meinung nach in der All-in-One-Erwartungshaltung an das Agenturgeschäft und der Überzeugung, dass dies nur durch klassische ‚Offlineprozesse‘ abzubilden ist.”
Und auch Jan Hoffmann-Keining, CMO und Co-Founder von Spacebase, einem Onlineportal für außergewöhnliche Meetingräume, bemerkt: „Als wir 2014 in der Veranstaltungsbranche gestartet sind, war unser Tempo so, wie wir es aus unserer Zeit als Unternehmensberater kannten: extrem schnell. Wir dachten, dass wir dieses Tempo mit unserem technologisch ausgefeilten Produkt, das eine Marktnische schließt, aufrechthalten können. Die Erfahrung hat uns jedoch gelehrt, dass der MICE-Markt anders ist, viel über persönliche Kontakte läuft und insgesamt auch etwas langsamer und konservativer tickt. Daran haben wir unsere Strategie und Erwartung angepasst.“
Angesichts dieser Branchenmerkmale und Erfahrungen wird deutlich, dass die Veranstaltungsindustrie, auch im direkten Branchenvergleich zur Fintech-Branche beispielsweise, ihre ganz eigenen Gesetze und ihr eigenes Tempo hat. Die große Herausforderung wird künftig beim Markteintritt sein, MICE-Branchenkenntnisse mit der eigenen Markteintrittsstrategie zu „matchen“ und nutzbar zu machen. Mit einer reinen digitalen Strategie kommt man in der MICE-Branche im Markteintritt (noch) nicht weit: Hier zählen immer noch das gute alte Netzwerk, viel persönlicher Austausch und die richtige Kombination von On- und Offline-Maßnahmen. Die Herausforderung ist dabei, Brücken zu bauen – zwischen „old und new school“, zwischen langjährigen Branchenexperten und branchenfremden Brancheneinsteigern, zwischen Anbietern und Nachfragern.
Dies hat auch die IMEX Group erkannt und führt zur IMEX in Frankfurt 2017 gleich zwei neue Formate ein, die diese Erkenntnisse berücksichtigen: den EduMonday und die EventTech Academy.
Dabei möchte die IMEX genau diese Brücken bauen: „Wir sind bereit, völlig neue Wege zu gehen – hierfür sind wir stets auf der Suche nach innovativen Geschäftsideen und neuartigen Konzepten, die unsere Branche voranbringen” erklärt Carina Bauer, CEO der IMEX Group diese Entwicklung. „Wir verstehen uns als Plattform für diese ganze wunderbare Fülle an Entwicklungen und auch für die Herausforderungen der digitalen Transformation, denen wir uns stellen müssen“, so Bauer weiter.
Der EduMonday findet am Montag vor Messebeginn – dem 15. Mai 2017 – statt und bietet den Teilnehmern ein kostenfreies Weiterbildungsprogramm zu sämtlichen Trendthemen der Branche und in einer Vielzahl an neuen Lernformaten an.
Eine weitere Neuerung auf der IMEX in Frankfurt 2017 ist die ZEUS EventTech Academy, die sowohl am EduMonday wie auch auf einem Messestand auf der IMEX stattfindet. Dieses neue Format hat es sich vorgenommen, die digitale Transformation der MICE-Branche und deren Herausforderungen leicht verständlich und erlebbar zu machen. Palettenmöbel, Lichterketten, kühle Getränke: Die EventTech Academy lockt mit hochkarätigen Vorträgen und lädt mit ihrem außergewöhnlichen Standdesign gleichzeitig zum „chillen” ein. Führende deutsche EventTech-Unternehmen und Start-ups, darunter Spacebase, heycater, eventmobi, Mateforevents und UCM haben sich zusammengeschlossen, um eine Serie interessanter und wichtiger Trends der EventTech-Industrie zu beleuchten. Die ZEUS EventTech Academy präsentiert drei Themenstränge, um das Themenfeld der Digitalisierung abzubilden:
- Eventtech today: Hier sprechen Gründer aus verschiedenen Tech-Unternehmen der MICE-Branche Klartext über die aktuellen Entwicklungen am Markt
- Technologies of the future: Manche Trends kommen in der MICE-Branche später an, als in anderen Industrien. In diesen Sessions sprechen branchenfremde Experten über Entwicklungen, die aktuell noch weit weg scheinen, aber in fünf Jahren hoch relevant sein werden.
- Tech Hacks: Start-ups zeigen exklusiv ihre liebsten Tricks, die das Tagesgeschäft, Team Management und die interne Kommunikation deutlich vereinfachen.
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Für mich dokumentiert dieser Artikel mal wieder den Kardinalfehler beim Thema digitale Transformation in der MICE-Branche.
Hier wird einzig und allein das Verhältnis zwischen Technologie-Anbietern und Meeting-Planern auf Tool-Ebene diskutiert. Das greift viel zu kurz, insbesondere, wenn man die Gretchen-Frage stellt und nichts weniger als die Digitale Transformation der gesamten MICE-Branche als Thema ansetzt. Digitale Transformation ist ja kein markttechnischer Begriff, so wie sich das hier so anhört, sondern meint fundamentale kulturelle Änderungen, allen voran in der Kommunikation.
Und so trifft es auch zu allererst das Zentrum unsere Branche, nämlich das Verhältnis zwischen dem Veranstalter und seinen Teilnehmern und all die vielen weiteren Adressaten und Beteiligten, die der Veranstalter erreichen und einbinden will (Sponsoren, Verbände, Medien, Politik,...). Wobei man dieses je nach Branche und Veranstaltungsformat sehr unterschiedliche und komplexe Beziehungsgeflecht tunlichst nicht mehr von der einzelnen Veranstaltung ausgehend betrachten darf: Veranstaltungen sind ein Teil einer Gesamtkommunikation, nach wie vor sehr wichtige und wirkungsvolle Instrumente aber alles andere als Solitäre.
Selbstverständlich müssen auch die Organisationsabläufe zwischen Meeting-Planern und -Anbietern effizienter werden und das ist in mancherlei Hinsicht nochmal ein Sub-Markt für sich. Aber in erster Linie müssen wir als Dienstleistungsbranche, einschließlich der Eventtech-Anbieter, uns doch um die Geschäftsmodelle der Veranstalter Gedanken machen. Es gilt vorhandenes Know-how und Reputation mit in die Digitalen Kommunikationswelt zu transferieren und gleichzeitig neue Wege zu beschreiten, die nachhaltige Perspektiven bieten. Da müssen wir hinblicken, wenn wir uns ein Bild über den Stand der Digitalen Transformation der MICE-Branche machen wollen.
In der Quintessenz kommen wir wieder zusammen. Ja, die MICE-Branche scheint mir insgesamt durchaus noch alten Gedankenstrukturen verhaftet zu sein. Aber wir arbeiten dran...