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Destinationen

Destinationsmarketing in schwierigen Zeiten

Wie sich Terror und Flüchtlingskrise auf die MICE-Branche auswirken

Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt: Nichts ist schneller als die Aktualität. New York, London, Kopenhagen, Madrid, Mumbai, Paris, Istanbul, Brüssel … Es gibt tolle Städte auf dieser Welt, wunderbare Destinationen, die es hart getroffen hat. Bestens ausgestattete Ziele, die als Veranstaltungsorte praktisch unverzichtbar sind, aber allesamt Opfer islamistischen Terrors geworden sind. Die Frage ist: Wie wirkt sich solch ein Geschehen auf die MICE- und Eventbranche aus? Denn in der Regel haben all diese Destinationen ja nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt.

Die Antwort lautet: vor allem kurzfristig, vielleicht ein paar Monate lang, bis sich die Lage im Großen und Ganzen wieder normalisiert hat. Ja, Paris hatte nach den Anschlägen vom November 2015 einen mehrwöchigen Einbruch von 40 Prozent in der Gastronomie zu verzeichnen sowie einen Rückgang neuer Reisebuchungen um fast ein Drittel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Inzwischen aber ist man schon zumindest touristisch wieder im wirtschaftlichen Soll.

Ohnehin wird kaum jemand fast 15 Jahre nach Ground Zero und zehn Jahre nach den Attentaten in London aus Angst heraus diese Weltmetropolen meiden – zumal ja niemand weiß, ob ein neuerlicher Anschlag nicht in ganz anderen Städten geplant sein mag. Lediglich in Brüssel könnte das touristische Image einen nachhaltigen Schaden nehmen. Schließlich war die belgische Hauptstadt am 22. März 2016 nicht nur Ziel eines Anschlags mit Todesopfern, sondern wurde auch noch als „Brutstätte“ islamistischer Terrorzellen ausgemacht.

Brüssel war und ist besorgt

Als Quasi-Hauptstadt der EU ist Brüssel eine der wichtigsten Destinationen für Kongresse und Tagungen in Europa und aufgrund der politischen Bedeutung auch eine der sensibelsten. Schon im November 2015, als Spuren der Paris-Attentäter nach Brüssel führten, ging vier Tage lang gar nichts. Soldaten patrouillierten durch die Straßen, der Schulunterricht wurde ausgesetzt und die Metro blieb geschlossen. Die Attentate im März haben die Gesamtsituation sicherlich noch einmal verschlimmert.

Nun kann man aber ja nicht alle EU-Beamten an einen vermeintlich sicheren Ort verlegen, die U-Bahn dichtmachen und den Flugreiseverkehr einstellen. Trotz aller berechtigter Angst und medialer Panikmache sind nun vor allem Augenmaß und Besonnenheit gefragt. Offen miteinander kommunizieren und eventuell vorhandene Probleme proaktiv ansprechen lautet daher die Devise der meisten Convention Büros und Kongressveranstalter. Das gilt auch für Visit Brussels.

Die städtische Tourismusagentur hatte bereits zu Beginn des Jahres eine Art Notfalltelefon eingerichtet – eine gut gemeinte, aber vielleicht doch etwas naive Idee. Besorgte Personen konnten via Internet-Call eines von drei öffentlichen Telefonen anwählen, um mit Passanten zu sprechen, die dort zufällig zugegen waren. Die Idee: Normale Bürger sollten berichten, wie sicher sie sich in Brüssel fühlen, und dass das Leben seinen gewohnten Gang nimmt. Erreichbar waren die Telefone jeweils zwischen 9 und 19 Uhr, was vielen Interessierten aus Übersee wenig weitergeholfen haben mag. Die Aktion ist nach nur wenigen Tagen Laufzeit am 11. Januar eingestellt worden, d.h. schon weit vor den Anschlägen im März. Nicht zuletzt die Sprachbarriere und über 50 % nicht durchgestellte Anrufe haben dafür gesorgt.

Wie es um Deutschland bestellt ist

In Deutschland haben wir das große Glück bislang von islamistischem Terror verschont geblieben zu sein. Aber auch hier gibt es zwei große Destinationen, die in die negativen Schlagzeilen geraten sind: Köln mit seinen Vorkommnissen in der letzten Silvesternacht und den Hogesa-Krawallen 2015 sowie Dresden mit seinen montäglichen Pegida-Demonstrationen. Ob der damit zusammenhängende Imageverlust politisch oder religiös motiviert ist, ist im Grunde genommen zweitrangig. Wie gehen nun die Event- und Marketingplaner beider Städte aber mit den Vorkommnissen um?

Dresden und Pegida

Bettina Bunge leitet die Dresden Marketing GmbH und hat die Stadt auch bei der zurückliegenden ITB in Berlin repräsentiert. Im Interview zieht sie ein positives Fazit der Messepräsenz, stellt aber auch fest: „Es ist völlig klar, dass wir derzeit nicht auf klassische Weise Werbung für unsere Stadt machen können. Es gibt viele Menschen, die verständlicherweise nicht in die montäglichen Pegida-Demonstrationszüge hineingeraten wollen. Es geht den meisten ausbleibenden Reisenden jedoch nicht primär um Angst, sondern um Protest.“

Das klingt logisch, denn tatsächlich hat es in Dresden bislang keine gewalttätigen Auseinandersetzungen oder gar Straftaten gegeben. Viele möchten aber dennoch nicht in eine Stadt reisen, die mit rechtpopulistischen Demonstrationen Schlagzeilen macht. Auch wenn nur ein Bruchteil der Dresdner Bevölkerung mit der Pegida-Bewegung sympathisiert, sei es schwer gegen die landläufige Meinung anzukämpfen, Dresden sei intolerant, so Bunge. Um das angekratzte Image von Dresden aufzupeppen, setzt das Stadtmarketing seit einiger Zeit verstärkt auf redaktionelle Beiträge und authentische Videoclips, in denen etwa Künstler und Wissenschaftler ihre eigene Meinung über Dresden zum Ausdruck bringen.

Laut der Dresden Marketing GmbH hat es seit den Pegida-Anfängen einige Absagen kleinerer Tagungen gegeben. Jedoch wurden Großevents wie der G7-Finanzgipfel, das Wissenschaftsforum Chemie, der Deutsche Städtetag und der europäische EDTNA/ERCA-Kongress planmäßig durchgeführt. Teilweise jedoch wurden Rahmenprogramme auf andere Tage oder Zeiten verlegt, um der aufgeheizten Pegida-Stimmung an Montagen zu entgehen.

Bettina Bunge führt weiterhin aus: „Positiv ist zu verzeichnen, dass z.B. unser Internationales Congress Center Dresden (ICD) als eine der größten örtlichen Locations das Jahr 2015 als sein erfolgreichstes Geschäftsjahr bezeichnete. Auch die Messe Dresden und weitere Veranstaltungsorte hatten sehr gute Jahresergebnisse. Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Situation sind wir selbstverständlich sensibilisiert und arbeiten mit dem Dresden Convention Bureau umso konsequenter daran, unsere Stadt als weltoffenen, attraktiven Kongress- und Tagungsstandort zu positionieren. Wir sprechen uns bei allen Diskussionen und Messeauftritten konsequent gegen Fremdenfeindlichkeit und für eine Willkommenskultur aus.“

So werden permanent Fragen zur aktuellen Situation beantwortet, Verschiebungswünsche realisiert und im Vorfeld Site-Inspektionen vor Ort durchgeführt. Der Realisation mehrerer bedeutender Großveranstaltungen im Jahr 2016 steht bislang nichts im Wege. Dabei gilt es natürlich zu beachten, dass die Pegida-Demonstrationen in Dresden vor allem die nationalen Schlagzeilen beherrschen. Ausländische Besucher und Kongressteilnehmer machen sich weit weniger Gedanken über die Sicherheitslage in der Elbmetropole, die – Stand jetzt – auch weiterhin ein bedeutender Tagungs- und Messestandort in Deutschland bleiben wird.

Köln und die Silvesternacht

Anders als in Dresden war es in Köln ein bislang einmaliges Vorkommnis, nämlich die sexuellen und räuberischen Übergriffe in der Silvesternacht, die dem Image der Domstadt geschadet haben. Die mediale Welle schlug jedoch derart hoch, dass das unrühmliche Geschehen auf dem Bahnhofsvorplatz es sogar auf die Titelseiten internationaler Gazetten, ja sogar bis ins japanische Fernsehen brachte. Auch die Hogesa-Krawalle im Jahr 2015 sind natürlich noch vielen in Erinnerung.

Stephanie Kleine-Klausing ist Director Conventions & Marketing bei der KölnTourismus GmbH und äußert sich zum Thema. „Im Cologne Convention Bureau erhalten wir nur wenige Anfragen zu den Vorfällen in der Silvesternacht. Bis dato sind auch keine Stornierungen von Veranstaltungen eingegangen. Allerdings hat die KölnTourismus GmbH seit Jahresbeginn einige Anfragen von Gästen und Reiseveranstaltern erhalten, die sich um die Sicherheit in der Stadt sorgen oder infolge der Ereignisse von einem Köln-Aufenthalt absehen möchten. Die kürzlich veröffentlichten Besucherzahlen für Januar waren jedoch gut. Lediglich an den Wochenenden ist bis heute noch eine leichte Zurückhaltung bei Buchungen von Privatreisenden zu beobachten.“

Da das Thema Sicherheit bei Events aller Art eine immens große Rolle spielt, haben insbesondere die großen Locationbetreiber in Abstimmung mit den zuständigen Behörden und Veranstaltern die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Vor allem die Aufstockung des Sicherheitspersonals ist hier zu nennen, an dem es in der Kölner Silvesternacht offensichtlich gemangelt hat. Das Convention Bureau vermittelt dahingehend zwischen dem Amtsapparat und der MICE-Branche, indem das Thema proaktiv angesprochen und nicht etwa totgeschwiegen wird, z.B. im Vorfeld einer Messe oder eines Kongresses. Josef Sommer, Geschäftsführer von KölnTourismus, zeigte sich nach den Übergriffen genauso besorgt wie viele Touristen und Veranstalter: „Man kann schon sagen, dass zwei Drittel der Gäste sehr besorgt sind, ob sie eine Köln-Reise noch antreten können“, sagte er kurz nach den Ereignissen in der Silvesternacht.

Wo führt der Weg hin?

Das weiß keiner! Die weltweite politische Gemengelage ist hochkomplex und teilweise brandgefährlich. Niemand kann vorhersagen, wann, wo und in welchem Umfeld es wieder zu terroristischen Anschlägen kommt bzw. ob Gewalt aufgrund des europaweiten Rechtsrucks, der Flüchtlingskrise oder anderer Parameter nicht irgendwo eskaliert.

Wer im letzten Jahr noch seinen Urlaub in der Türkei verbracht hat, dürfte heutzutage sicherlich davon Abstand nehmen. Noch schwerer wiegt das Risiko natürlich auf Seiten der Veranstalter, die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Gäste und Eventteilnehmer tragen. In Ländern, für die Reisewarnungen ausgesprochen werden, ist sicherlich kein Platz für Tagungen und Kongresse. Auf der anderen Seite kann niemand vorhersagen, ob morgen nicht Berlin, Rom oder Stockholm in die Schlagzeilen geraten, die niemand gerne lesen will.

Die MICE- und Eventbranche ist jedenfalls gewarnt, sich in enger Zusammenarbeit mit den Behörden bestmöglich gegen äußere Angriffe und negative Einflüsse zu wappnen. Darüber möchten wir in einem ausgewählten Kreis auch auf der kommenden IMEX in Frankfurt diskutieren, Erfahrungen austauschen und mitunter auch unbequeme Fragen stellen:

Am ersten Messetag, Dienstag, dem 19.04.2016, wird der MICE Club eine Hot Topic Session zu dem Thema moderieren. Ihre Teilnahme zugesagt haben Elisabeth Van Ingelgem, Director Convention & Association Bureau von Visit Brussels, Dr. Bettina Bunge, Dresden Marketing GmbH sowie Clément Laloux, der Director des Paris Convention Bureau. Treffpunkt und Beginn ist um 10:30 Uhr am Inspiration Hub in Halle 8. Eine Dreiviertelstunde werden Themen diskutiert wie:

  • Welche Konsequenzen haben die jüngsten Vorkommnisse auf das MICE-Geschäft in den jeweiligen Destinationen?
  • Welche Fragen werden von potenziellen Tagungs- und Kongressplanern an die Convention Bureaus gestellt?
  • Welche Antworten kann ich als Veranstaltungsplaner auf die Fragen meiner Kunden und Entscheidungsträger finden, die sich Sorgen hinsichtlich Sicherheitsaspekten machen?
  • Wie haben die Destinationen auf die Ereignisse reagiert? Und welche Maßnahmen wurden/werden ergriffen, um zukünftige Ereignisse zu vermeiden?
  • Welche getroffenen Maßnahmen sind erfolgversprechend und wurden/werden von Kunden/Teilnehmern geschätzt?
  • Gibt es Erfahrungswerte und Best Practices, die zwischen den Destinationen und Eventveranstaltern ausgetauscht werden können?

Die Hot Topic Session findet von 10:30-11:15 Uhr am Inspiration Hub in Halle 8 in englischer Sprache statt. Sie sind interessiert teilzunehmen? – Da die Teilnehmerplätze begrenzt sind, bitten wir um eine kurze Voranmeldung per E-Mail an info@mice-club.com. Vielen Dank.


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Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 07.04.2016


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