Beweglichkeit vs. Trägheit – oder der ewige Wettlauf mit der Zeit
Über die Entscheidungsträgheit der Entscheidungsträger
An viele Umstände der Angebotserstellung haben wir uns als Eventplaner längst gewöhnt: Wenig konkrete Vorstellungen seitens des Kunden, flexible Einzelbudgetierung von Leistungen unsererseits, um maximale Freiheit in der Entscheidung zu gewähren, Abgabetermin binnen 42 Stunden, gerne auch früher. Wir haben versucht das Beste daraus zu machen und ja, inzwischen sind wir recht familiär mit dieser Form der Anfrage und Angebotserstellung. Bausteine für fast jedes Ziel ermöglichen ein optisch attraktives Angebot ohne ein Schreibbüro zu beschäftigen, stets am Markt haben wir alle Kontakte im Computer oder mobil bei uns und können schnell Anfragen an Hotels, Carrier, Caterer, Technikanbieter und Hauptacts oder Keynote Speaker raushauen, nicht ohne Stoßgebet, dass diese genauso schnell gelesen und beantwortet werden, wie wir angefragt haben.
So langsam formt sich ein durchaus attraktives Programm, wesentliche Inhalte sind safe, Transport, Bett und Stuhl per Optionen abgesichert und die Kalkulation mal schnell hochgerechnet. Zu viel? Geschoben und verworfen, statt Kalb zum Hauptgang gibt es Putenmedaillons und ja, am Ende ein letzter prüfender Blick, auf das Angebot, auf die Uhr … und Senden!
So weit so gut, da wird dann nachts um 23:30 Uhr die Schreibtischlampe gelöscht, der Magen meldet sich mit verweigerten Bedürfnissen und der McDonalds mit kleinem Schlenker auf dem Heimweg hat zum Glück bis 01:00 Uhr auf. Drive-In versteht sich von selbst, denn so spät abends fühle ich mich dort nicht wirklich wohl in anwesender Gesellschaft.
Am nächsten Morgen sitzen wir natürlich um 09:00 Uhr pünktlich, wenn auch nicht ganz wach, am Schreibtisch und rufen dann doch mal kurz im Vorzimmer des Entscheidungsträgers an. Mal nachhören, ob das Angebot vollständig ankam, nur um zu erfahren, dass der Ansprechpartner die nächsten drei Tage auf einer Messe, bei einer Tagung oder sonst wie unabkömmlich sei.
Ich gebe zu, es sticht immer und immer wieder, dass der Fleiß und die Effizienz in eine Sackgasse mit Strohballen am Ende führen. Nun haben wir alles richtig gemacht und wenn es dann gelesen wird, wird es sicher auch erkannt werden. Dann bleibt ja Zeit, noch eine Liste mit den Deadlines der Optionen bei allen Dienstleistern hinterherzuschicken, schön chronologisch, damit klar ist, wann welche Kontingente verfallen.
Doch egal wie plakativ vorgegangen wird, bei vielen Kunden scheint es keinerlei Regung zu verursachen. Also werden Optionen verlängert, bei langfristiger Planung gerne auch mehrfach, bis das Schicksal bzw. eine andere Veranstaltung die begehrten Kapazitäten wegschnappt und man irgendwann notgedrungen das nehmen muss, was übrig bleibt. Oder, richtig blöd, noch mal von vorne anfangen darf.
Ein Schelm, wer Böses denkt? Oder handelt es sich tatsächlich um eine weit verbreitete Entscheidungsschwäche seitens der Entscheider? Ich weiß nur, dass ich in den letzten Jahren immer wieder selbst Entscheidungen getroffen habe, samt dem finanziellen Risiko, weil ich sonst einfach kein rundes Event hinbekommen hätte. Bisher habe ich es zum Glück nicht bereut, auch wenn es mir schlaflose Nächte im Vorfeld bereitete, am Ende war die Entscheidung richtig.
Nun leben wir in immer schnelllebigeren Zeiten. Was gestern richtig war, ist es heute nicht mehr. Was im Vorfeld des Events eine gute Idee war, zündet vor Ort nicht mit der gewünschten Wirkung. Immer stärker wird neben Hostessen und Guest Relations ein erfahrener Congress & Event Manager vor Ort gewünscht und gebraucht um Ad Hoc-Ideen zu entwickeln und zu realisieren, wenn die ursprüngliche Planung nicht den gewünschten Erfolg zeigt.
So saß ich vor zwei Wochen in einem großen Tagungszentrum und habe es binnen drei Stunden geschafft, für den Einsatz am nächsten Tag eine interaktive Tagungstechnik für 300 Personen mit Bedienungspersonal aufzutreiben, Ticketpreise und Übernachtungskapazitäten gecheckt, Zollerklärungen veranlasst und alles mal eben übersichtlich in einem Excel-Sheet zusammengetragen und zur Entscheidung vorgelegt.
Was soll ich sagen … sie kam nicht. Es war nicht möglich ein Ja oder Nein zu bekommen und der Kongress wurde weitergespielt wie geplant, mit fraglichem Ausgang für den Gesamterfolg. Das Equipment ist nun bereits für die Folgeveranstaltung 2018 als sinnvoll angesehen. Nur ich traue mich kaum das meinem Technikpartner zu sagen.
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